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Kommentar zum Franken-Tatort: eine Unverschämtheit


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Montag, 23. Mai 2016

Die zweite Ausgabe ("Das Recht, sich zu sorgen") des Franken-Tatorts hat die Fehler der ersten nicht ausgemerzt, sondern vertieft. Es war ein Graus.
Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel als fränkisches Ermittler-Duo können's auch nicht mehr herausreißen Foto: dpa


Wo steht eigentlich geschrieben, dass man lokalpatriotisch irgendetwas gutheißen muss, nur weil die eigene, nun ja, Heimat betroffen ist? Nirgends. Im Gegenteil, besonders kritisch heißt es da sein, damit draußen nicht das Klischee vom irgendwie hinterwäldlerischen Franken, einem Gnom mit seltsamem Dialekt, reproduziert werde.

Eben dies ist auch ein Ärgernis der zweiten Franken-"Tatort"-Folge, jedoch bei weitem nicht das ärgerlichste. Es beginnt schon bei einer Schwäche, die sich generell durch die Serie mindestens der letzten zehn Jahre zieht: Kommissare als eine Art verhinderte Sozialarbeiter, ganz ganz empfindsame Sensibelchen, die vor lauter Betroffenheit einen Verdächtigen schon kaum mehr vernehmen können. Man muss kein Hellseher sein, um das für eine Fiktion, ein Märchen zu halten. Da sind die Macho-Allüren amerikanischer Bad Lieutenants weitaus erträglicher als das Gesülze deutscher Psycho-Kommissare, die das "Recht, sich zu sorgen" missbrauchen.

So sorgt sich Kommissarin Ringelhahn (wer denkt sich eigentlich diese bescheuerten Namen aus?) um eine psychisch kranke Frau, die auf der Suche nach dem verlorenen Sohn vor dem Polizeipräsidium campiert, und hilft ihr auch. Große Gefühle. Wir seufzen mit.

Vor Langeweile. Vor Schmerz über ein ein solch dilettantisches Drehbuch. Beate Langmaack hat es verbrochen. Eine kurze Internet-Recherche ergibt: Die Frau ist erfahren in ihrer Profession und hoch dekoriert. Gut, jeder weiß, dass Auszeichnungen nicht unbedingt so wahnsinnig aussagekräftig sind. Aber der Verdacht (Krimi!) bleibt, dass da jemand (Regisseur Andreas Senn? Redakteurin Stephanie Heckner?) hineingepfuscht hat. Zwei, ja drei Fälle zusammenzupappen, ohne Zusammenhang, ohne Sinn und Verstand, war schon mal das Großverbrechen dieser Tatort-Folge. Der Mörder der Gastwirts-Frau - von vornherein klar. Welches Motiv hatte er eigentlich? Dass nebenbei wieder mal das widerborstige Teenie-Mädchen erschien: geschenkt. (Am Schluss wird auch für sie alles gut.)

Dann taucht die ganze Polizistenbande im Würzburger Anatomie-Institut auf. Gut, wir wissen, dass im "Tatort" Märchen erzählt werden. Doch ein bisschen realistische Polizeiarbeit, ist das zu viel verlangt? Offenbar. Nur aufgrund einer gockelnden Polizeipräsidenten-Witzfigur (einer in Anlage und Darstellung vollkommen misslungenen Charge), die einer herben Professorin hinterherhechelt, schnüffelt das Team herum. Und kommt nach quälenden eineinhalb Stunden dem Drama - der Zuschauer hat die Lösung längst erahnt - auf die Spur. Wieder viel Gefühl. Wie wär's eigentlich mal mit dem Motiv Geldgier und einer großen Portion Zynismus? Nicht in Deutschland. Da braucht es immer Emotionen.

Kommen noch hölzerne, uninspirierte Dialoge hinzu. Kommt eine dramaturgisch völlig dysfunktionale Affäre der Wanda Goldwasser mit einem Anatomen hinzu, der ihren Schädel abtastet und wenig sonst. Überhaupt erinnert man sich angesichts der Figuren Schleicher (nomen est omen für diesen trotteligen Hippie) und Goldwasser an eine schöne Anekdote über die Bamberger Symphoniker: Als deren Schlagwerker während eines Konzerts auf einer Reise seinen einzigen Einsatz verpasste, fragten ihn liebe Kollegen: "Sag, warum warst jetzt du eigentlich dabei?" Dabei war auch der "Kater Murr" E.T.A. Hoffmanns. Warum? Das weiß Gott allein. Ausgerechnet das Hauptwerk des Romantikers, das sich ironisch-satirisch mit dem Künstler-Dasein in der bürgerlichen Welt beschäftigt. Keine Kriminal-, keine Schauergeschichte, die sich bei Hoffmann so überreichlich finden.


Ist das jetzt Franken?

Bleibt Egersdörfer als Schatz, der im ewig gleichen Tonfall herumproletet: Ist das jetzt Franken? Wenn nicht Kritiker-Selbstverständnis das Ausharren zur Pflicht gemacht hätte: Spätestens nach fünf Minuten, ach was, nach drei hätte man abschalten müssen, wollen, können.

Angesichts der beispiellosen PR-Kampagne des Bayerischen Rundfunks für den Franken-"Tatort" mit häppchenweisem Anfüttern des Publikums qua Interviews, Lokalterminen, Jubelberichten und so weiter und so fort bleibt nur die Frage: Ist das nur noch dreist oder schon unverschämt?