Es kann nicht sein, dass wir über Gleichberechtigung diskutieren müssen. Umso beschämender und heuchlerischer, wenn sich Organisationen wie die UEFA oder der bayerische Landtag so schwer damit tun, wenigstens symbolisch etwas zu tun. Heute ist ein Tag der Solidarität, aber auch der Heuchelei. Ein Kommentar
Der Münchner Stadtrat ist mit seinem Antrag bei der UEFA gescheitert, die Allianz-Arena beim EM-Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen. Der Fußballverband wies das Ansinnen als "politisch" zurück und verbot die Aktion.
Viele reagierten darauf empört, darunter etwa auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und allen voran Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Dieser bezeichnete das Verhalten der UEFA als "beschämend". Was sich aber auch in der Folge der ganzen Aktion zeigt, ist das Ausmaß an Heuchelei, wenn es um Themen wie Akzeptanz und Signale gegen Diskriminierung geht.
Warum zuckt die CSU zurück?
Am Mittwoch, dem Spieltag selbst, konnte sich nun der Ältestenrat des bayerischen Landtags nicht auf eine Beflaggung oder ein Anstrahlen des Landtagsgebäudes in den Regenbogenfarben einigen. Dafür wäre die Zustimmung aller Fraktionen notwendig gewesen. Dass dies mit den Stimmen der in rückwärtsgewandten und in Teilen rechtsextremen bayerischen AfD nicht zu machen war, überrascht nicht, doch auch die CSU lehnte den Antrag der Landtags-SPD ab. Verwunderlich, kritisierten doch mehrere bayerische Politiker das Vorgehen der UEFA: "Die Regenbogenfarbe gerade in diesem Zusammenhang ist ein Signal für Freiheit und für eine moderne Demokratie", hatte Markus Söder zuletzt dem Bayerischen Rundfunk gesagt.
Schade nur, dass die Solidarität und der Mut dann nur so weit reichen, wie man selbst nicht mehr machen muss als wohlfeile Worte verlieren. Wir erinnern uns, als Viktor Orban im Jahr 2018 die CSU besuchte und vom damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer herzlich empfangen und in den Himmel gelobt wurde. Vielleicht hat man bei der CSU Angst, die Stimmung mit der ungarischen Regierung zu verschlechtern.
Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hat die UEFA ihre Social-Media-Profile in Regenbogenfarben gehüllt und dies auch noch verteidigt: Der Regenbogen sei "ein Zeichen unseres Engagements für eine vielfältigere und integrativere Gesellschaft." Diese hilflose und zynisch wirkende Aktion kann man nur fassungslos als Hohn und Spott bezeichnen.
Über unsere Werte müssen wir nicht diskutieren
Es kann nicht sein, dass wir ernsthaft darüber diskutieren müssen, ob wir uns zu Gleichberechtigung und Vielfalt bekennen wollen oder lieber nicht. Wir können und müssen über vieles diskutieren, streiten, verhandeln. Dass alle Menschen gleich an Rechten, Chancen und an Wert sind, darüber sollte Konsens bestehen. Dies berührt den Kern unserer Demokratie, unserer Gesellschaft. Es gibt Werte, über die wir nicht streiten müssen.
Wenn die Regenbogenfahnen wieder eingerollt wurden und für die Mehrheitsgesellschaft die Normalität nahtlos weitergeht, ist das Leben von queeren Menschen weiter bestimmt von Ausgrenzung, Ablehnung und teils offener Gewalt, sowohl strukturell als auch tatsächlich physisch. Worüber wir also reden müssen, wenn die Karawane der Aufmerksamkeit weitergezogen ist: Was kann die Gesellschaft tun, um ihrem Selbstverständnis und hohem Anspruch gerecht zu werden? Wie können Hindernisse im Alltag, aber auch in der Politik, etwa durch als verfassungswidrig bestätigte queerfeindliche Gesetze beseitigt werden? Was können wir tun, um die mühsam und langwierig erkämpften Rechte nicht wieder zu verlieren?
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"Wir haben immer noch ein verfassungswidriges Gesetz, das trans Personen demütigt und diskriminiert."
Ich bitte um Aufklärung: welches?
Ich habe folgende Erklärung dem Artikel hinzugefügt:
"Bereits 2011 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das Transsexuellengesetz von 1981 gegen die Verfassung verstößt. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD stand eine Reform, passiert ist nichts. Gesetzesvorschläge von FDP und Grünen für ein verfassungskonformes Selbstbestimmungsgesetz wurden am 19. Mai 2021 von einer Mehrheit aus CDU/CSU, SPD und AfD abgelehnt."