"Die Stiftung von Bill Gates hat das Coronavirus erfunden": Ein Kommentar zu Verschwörungstheorien
Autor: Anna-Marie Meewes
Franken, Samstag, 16. Mai 2020
Spätestens durch die neuesten Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland wird klar, wie viele Menschen den Ernst der Lage nicht verstehen. Sie leben in ihrer Welt der Verschwörungen, wo 5G und Bill Gates die Feindbilder Nummer eins sind und jeder, der den Medien glaubt, nur ein Schlafschaf ist. Ihre Quellen? Google. Ein Kommentar von Anna-Marie Meewes.
In ganz Deutschland gehen Menschen auf die Straßen. "Wir sind das Volk" skandieren sie, recken Pappschilder mit der Aufschrift "Widerstand" in die Luft und grinsen in die Kamera, während sie eine Flagge des dritten Reichs mit dem Wort "Freiheit" darauf umklammern. Die Menschen, die an diesen Demonstrationen teilnehmen, sind scheinbar immun gegen das Coronavirus, denn sie scheren sich nicht um Kontaktbeschränkung, Mindestabstand oder Maskenpflicht. Dass durch solche Aktionen aber auch unschuldige Menschen infiziert werden können, scheint den Beteiligten völlig egal zu sein.
Neben radikalen Vertretern von Verschwörungstheorien sind auch Familien unter den Demonstranten zu sehen. Mit Kindern, die noch nicht mal eine Chance hatten, sich eine eigene Meinung zu bilden. Sie werden von ihren "Erziehungsberechtigten" mitgeschleift, Infektionsrisiko hin oder her.
Verschwörungstheorien: Von Bill Gates bis zu 5G
Selten haben sich so viele Menschen öffentlich und ohne Scham zu ihren dubiosen Theorien bekannt wie zu Corona-Zeiten. Sie besitzen dieses unfassbare Geheimwissen, und wenn der Tag da sein sollte, an dem alles herauskommt, dann - ja dann werden sie sagen können: Ich habe es von Anfang an gewusst.
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Verschwörungstheorien um das Coronavirus gibt es viele: Die Stiftung von Bill Gates hat das Virus erfunden und es wird uns alle töten, durch Impfungen werden uns Chips injiziert, Gott bestraft uns für die menschengemachte Gentechnik, die Gleichstellung der Geschlechter und Abtreibungen, 5G ist schuld oder das Virus wurde in einem Labor in Wuhan als biologische Kriegswaffe hergestellt.
Es ist das perfekte Kopfkino: Die verrückten Wissenschaftler, wie sie mit zu Berge stehenden Haaren den qualmenden Inhalt von Reagenzgläsern zusammenschütten und unter teuflischem Lachen das Coronavirus erschaffen. Dagegen ist so eine Übertragung auf dem Tiermarkt in Wuhan ganz schön lahm. Und viel weniger greifbar.
Warum Verschwörungstheorien entstehen
Alle Verschwörungstheorien haben eines gemeinsam: Man kann sich so wunderbar hineinsteigern. Die Schuld kann jemand Konkretem in die Schuhe geschoben werden und der Rest der Menschheit ist aus dem Schneider. Durch die Corona-Pandemie kommt es zu einem Kontrollverlust. Es gibt ein neuartiges Virus, keine Medikamente gegen die Erkrankung und Einschränkungen im Alltag. Verschwörungstheorien geben einigen Menschen Sicherheit und verringern die Angst vor etwas nicht greifbarem, wie einem Virus.
Wer in Panik verfällt, der sehe Muster, wo gar keine sind, sagt die Sozialpsychologin Pia Lamberty dem Deutschlandfunk. Wenn keine eindeutigen Antworten kommen, konstruieren sich manche Menschen selbst welche. Ob diese objektiv Sinn ergeben, ist Verschwörungstheoretikern ziemlich egal. Sie haben ihre Antworten, ihre Schuldigen für das Coronavirus sind gefunden.