Zeit für eine besondere Schau aus dem Alltagsleben

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Helen und Volker von Hoyningen-Huene mit einer Uhr und Solon. Das Ensemble mit dem Vordenker der Demokratie wurde in der Familie über Generationen weitergegeben. Fotos: tm
Helen und Volker von Hoyningen-Huene mit einer Uhr und Solon. Das Ensemble mit dem Vordenker der Demokratie wurde in der Familie über Generationen weitergegeben. Fotos: tm
Agnes Schneider 1977. Diese Kleidung hatten ihre Mutter und ihre Großmutter bereits getragen. "Kleidung hatte damals noch einen Wert", sagt sie.
Agnes Schneider 1977. Diese Kleidung hatten ihre Mutter und ihre Großmutter bereits getragen. "Kleidung hatte damals noch einen Wert", sagt sie.
 

Das Kitzinger Stadtmuseum zeigt in einer Sonderschau Gegenstände aus dem Alltagsleben, die über Generationen weitergegeben wurden. Die "Rumsteherle" erzählen ihre Geschichte.

"Ach, du meinst Rumsteherle". Stephanie Nomayo´s Freundin lieferte ihr schlagfertig den Titel für eine Ausstellung der ganz besonderen Art. Die Leiterin des Kitzinger Museum war ursprünglich auf der Suche nach einem schöneren Wort für "Staubfänger", also für Gegenstände, die es in jeder Familie gibt. Gegenstände, die einfach immer und überall irgendwo rumstehen und von denen sich man aus verschiedensten Gründen nicht trennen kann oder will. "Geliebte Rum-steherle - Familienschätze im Visier" wurde dann der Titel.
"Die Rumsteherle", die da zu sehen sind, einfach "Staubfänger" zu nennen, wird der Sache aber ganz und gar nicht gerecht. Diese "Staubfänger" erzählen Geschichte, manche ganze Geschichten. Es sind diese Geschichten, die Stephanie Nomayo reizen, Geschichten von Generationen und deren Leben.

Nomayo hat über zwei Jahre im Fundus von "international aufgestellten Familien" aus dem Landkreis gestöbert und diesen die "Rumsteherle" aus eingesessenen Familien aus der Region gegenübergestellt. Sie ist ihren Spendern dankbar. "Es gäbe kein Museum", so Nomayo, "wenn es nicht Menschen gäbe, die Kulturgut bewahren".

Gegenstände aus aller Welt

Zwei solche Menschen, die dem Museum und damit der Öffentlichkeit eine derartige Innensicht in ihre Familie gestatten, sind Helen Freifrau von Hoyningen-Huene und ihr Mann Volker. "Diese Bettlerschale gehörte einst meiner Urgroßmutter Elizabeth Baines", erzählt die Freifrau mit dem charmanten englischen Akzent. Sie deutet dabei auf eine große, schwarze und aufwändig mit Koranversen dekorierte Nussschale, die an einer Kette über der Schulter getragen wurde. "Mit solchen Schalen wurde in Kaschmir nicht um Geld, sondern um Speisen und andere Güter gebettelt".
Ein paar Meter weiter steht eine Uhr, auf der eine schwarze Statue sitzt. "Das ist Solon", erklärt Dr. Volker Freiherr von Hoyningen-Huene. "Er war ein Staatsmann und präsentiert hier die Gesetze Athens. Er war überzeugt davon, dass niemand über dem Gesetz stehen sollte".
In der Vitrine daneben finden sich kleinere Gegenstände. Ein tauchversilberter Kinderschuh seines Onkels Benno, der in den ersten Tagen des Russlandfeldzugs 1942 gefallen war. "Der Schuh war das einzige, das meiner Großmutter von ihm blieb". Ein Granatsplitter aus dem Arm von Bennos Bruder Ewald nebst einem Brief, wie er sich diesen zugezogen hatte, liegt gleich daneben. Schwarzburg-Porzellan, ein Aschenbecher der Familie aus Estland, Specksteinfiguren aus Russland und vieles andere mehr ergänzen die Ausstellungsstücke. Zu jedem gibt es eine kleine Geschichte, die beim Betrachten lebendig wird.

Kleidung, die einst Oma trug

Lebendig werden auch Kleidungsstücke aus alter Zeit, die aus dem Familienerbe von
Agnes Schneider aus Willanzheim zusammengetragen wurden. Es sind Kleider aus vier Generationen, deren Geschichte sich bis 1851 zurückverfolgen lässt. "Kleidung hatte damals noch einen Wert", erzählt Agnes Schneider. In einer Zeit, in der Kleidung in Billiglohnländern produziert wird, wirkt der Satz geradezu grotesk. "Das Erhalten der Kleidungsstücke war damals eine Verpflichtung. Sie wurden einfach ständig umgeändert oder für unterschiedliche Größen bearbeitet". Noch in den 70er Jahren hatte Agnes Schneider die Kleidung selbst getragen. Ein Foto zeigt sie damit aus dem Jahr 1977.
Alltagskleidung, Trachten und Unterwäsche aus alter Zeit steht oder hängt neben Nussknackern und Weihnachtskrippen. Man erkennt vieles wieder und reflektiert schnell über die Parallelen im eigenen Haushalt. "Es ist eigentlich die klassische Frage des Museums", ergänzt die Museumsleiterin. "Was will ich bewahren und was nicht?
Nomayo plädiert nicht dafür, alles aufzuheben. "Was Bedeutung hat, entscheiden die Familienmitglieder selbst", sagt sie. "Bedeutung hat aber nur etwas, das auch eine Geschichte hat und sie erzählen kann". Bis Ende Februar können Interessenten diese Geschichtenerzähler bewundern. So lange läuft die Ausstellung noch. Einen Besuch wert ist sie allemal.