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Wiesentheid-Prozess: Verzicht auf Befangenheitsanträge


Autor: Gisela Schmidt

Würzburg, Mittwoch, 25. Januar 2017

Fast wäre der Wiesentheid-Prozess geplatzt. Nun aber soll doch an diesem Donnerstag das Urteil gesprochen werden. Warum, lesen Sie hier.
ARCHIV - Polizei-Absperrband hängt am 05.01.2016 am Eingang des Schlossparks in Wiesentheid (Bayern). Im dem Schlosspark hatte ein Spaziergänger beim Gassigehen mit seinem Hund eine schwer verletzte junge Frau gefunden.  Im «Wiesentheid-Prozess» um den versuchten Mord an einer jungen Frau werden am 19.01.2017 die Plädoyers erwartet. Foto: Herse/dpa Foto: Herse/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit


Das Vorpreschen einer Schöffin hätte dafür sorgen können, dass die Verhandlung wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Würzburg neu aufgerollt werden muss. Weil die Anwälte aber auf Befangenheitsanträge verzichten, kann an diesem Donnerstag das Urteil gegen die Angeklagten verkündet werden.

Die Schöffin hatte am Montag einen Radiosender angeschrieben, weil sie mit seiner Hilfe „einen Spendenaufruf für das Opfer starten“ wollte. Außerdem hatte sie angeboten, dem Sender nach der Urteilsverkündung „Rede und Antwort zu stehen“. Die Redaktion leitete die Email an das Gericht weiter, der Vorsitzende der Großen Jugendkammer informierte die Verteidiger und bat sie, zu dem „Vorgang Stellung zu nehmen“.

Schöffen sind ehrenamtliche Richter – und, genau wie Berufsrichter, zu Objektivität und Neutralität verpflichtet. Sie müssen, so Bayerns Justizminister Winfried Bausback, alles vermeiden, „was dafür sprechen könnte, dass sie schon vor Abschluss der Beweisaufnahme und durchgeführter Beratung eine endgültige Auffassung von der Schuldfrage gewonnen hätten“.

„Aus Opferschutzgründen verzichten wir auf Befangenheitsanträge“

Die Verteidiger der Angeklagten im Prozess wegen versuchten Mordes

Die Laienrichterin bekleidet ihr Ehrenamt laut ihrer Homepage seit acht Jahren. „Sie hätte wissen müssen, was sie tut“, sagt Anwalt Hanjo Schrepfer, der zusammen mit Dirk Wenz den Jüngeren der beiden Angeklagten verteidigt. Der 19-Jährige soll die Ex-Freundin seines ebenfalls angeklagten Freundes am 4. Januar 2016 in den Schlosspark in Wiesentheid (Lkr. Kitzingen) gelockt und zugeschaut haben, wie der Kumpel versuchte, sie zu töten. Das Opfer überlebte schwer verletzt und ist heute querschnittsgelähmt.

  • Der Prozess stand auf der Kippe - verantwortlich war eine Schöffin des Gerichts

„Im Hinblick auf die Schöffin besteht auf jeden Fall die Besorgnis der Befangenheit“, sagen Schrepfer und Wenz. Dennoch wollen sie keinen entsprechenden Antrag gegen die Laienrichterin stellen. „Wir sind sicher, dass einem solchen Antrag statt gegeben werden müsste“, erklärt Schrepfer auf Anfrage der Redaktion. Das bedeute aber auch, dass der gesamte Prozess neu aufgerollt werden müsste - einschließlich der Vernehmung der schwer körperlich behinderten und tief traumatisierten 22-Jährigen.

Das wolle man der Frau nicht zumuten. „Vornehmlich aus aus Gründen des Opferschutzes verzichten wir auf Befangenheitsanträge“, sagt Schrepfer.

Auch die Anwälte Jan Paulsen und Norman Jacob jr. werden, „mit Rücksicht auf das Opfer“, keine Befangenheitsanträge gegen die Schöffin stellen, obwohl ein solcher Schritt „grundsätzlich Erfolgsaussichten“ hätte, wie die Verteidiger betonen.

Paulsen und Jacob jr. vertreten den 20-Jährigen Angeklagten. Er hat gestanden, dass er seine Ex-Freundin töten wollte, weil sie ihn verlassen hatte. Im Schlosspark hatte er mit einem Messer auf sie eingestochen. Als er glaubte, die Frau sei tot, ließen er und der 19-Jährige sie in der Kälte liegen. Die Frau ist sitzt heute im Rollstuhl und ist ständig auf Hilfe angewiesen.

Sowohl Schrepfer als auch Paulsen kündigten an, dass sie vor der Urteilsverkündung an diesem Donnerstag um 14.30 Uhr im Strafjustizzentum Erklärungen abgeben werden.