Wie man seine Quelle bei heiklen Recherchen schützt
Autor: Norbert Hohler
Kitzingen, Montag, 19. Dezember 2016
Am Gymnasium Marktbreit erfahren die Schüler, wie Recherche geht oder welche Rechte und Pflichten die Presse hat. Und das nicht von einem gewöhnlichen Lehrer.
So wie an diesem Tag im Gymnasium Marktbreit (Lkr. Kitzingen) sollte es an jeder bayerischen Schule die Regel sein: Im Schulfach „Medienkunde“ erfahren Schülerinnen und Schüler, wie Recherche geht, welche Rechte und Pflichten die Presse hat oder wie man seine Informanten schützt.
Der „Lehrer“ an diesem Tag ist ein ganz Besonderer: Klaus Ott ist Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung (SZ) im Ressort „Investigative Recherche“. Der 57-Jährige beschäftigt sich mit den hochbrisanten Fällen internationaler Wirtschaftskriminalität, hat zum Beispiel an der Aufklärung des VW-Abgasskandals, bei den Panama-Papers, der WM-Affäre 2006 oder der Aufdeckung des Steuerfalls Hoeneß mitgewirkt.
Heimspiel in Marktbreit
Heute hat der Franke ein Heimspiel: Klaus Ott wurde in Kitzingen geboren, ist in Ochsenfurt aufgewachsen – und hat sein Abitur just am Gymnasium Markbreit abgelegt. „Mit lausigen Noten, Durchschnitt 3,2“, wie er lachend erzählt. „Ich habe damals häufiger im Unterricht gefehlt, weil ich schon als Schüler für die Main-Post als freier Mitarbeiter in Ochsenfurt unterwegs war. Dieses Vorgehen würde ich euch heute aber nicht empfehlen, dafür ist der Stoff zu komplex geworden. In meinem Fall hat es zum Glück funktioniert.“
Fragen an den Experten
Knapp 80 Schülerinnen und Schüler der elften Jahrgangsstufe hören dem Redakteur gebannt zu. Genauer gesagt, sie freuen sich erkennbar darüber, wie präzise und gelegentlich mit einer Prise Humor Ott ihre Fragen beantwortet: 37 hat er nach Zählung von Deutsch-Fachberater Florian Geißler in den zwei Schulstunden bewältigt. Insgesamt 61 waren in den Wochen zuvor im Deutschunterricht mit den Elftklässlern erarbeitet worden.
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Ob ihm schon mal ein schlimmer Fehler unterlaufen ist, will jemand wissen. „Leider ja,“ gibt Ott offen zu, 2014 habe er bei einer Geldbuße eine Null zuviel angehängt, zehn Millionen statt eine Million Euro geschrieben. „Da gibt es nur eins: Offen damit umgehen. Ich habe sofort bei den Betroffenen angerufen und mich entschuldigt. Und natürlich haben wir die falsche Zahl berichtigt“. Sorgfalt sei oberste Pflicht, dieser Ausrutscher solle ein Einzelfall bleiben.
Den Abgas-Skandal im Visier
Dann wird gefragt, wie Ott vorgeht, wenn er belastende Dokumente über ein Unternehmen entdeckt oder zugespielt bekommen hat. „Als Erstes die Richtigkeit überprüfen. Und dann unbedingt den oder die Beschuldigten konfrontieren, bevor man etwas schreibt.“
Und wie reagieren die Firmen dann? „Sehr unterschiedlich, mit zwei Grundmustern: wegdrücken oder in die Offensive gehen. „Das hat zum Beispiel Siemens nach der Korruptionsaffäre gemacht: Sich selbst neue Regeln gegeben, die Aufklärung unterstützt“. Bei VW hingegen sei lange versucht worden, den Abgasskandal kleinzureden. „Das macht es am Ende meistens viel schlimmer.“