Wenn der Wald das zweite Zuhause wird

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Bis so ein Zelt aus abgestorbenen Ästen und Zweigen fertig ist, muss man ganz schön schuften. Arbeiten kann so viel Freude machen. Fotos: Pfannes
Bis so ein Zelt aus abgestorbenen Ästen und Zweigen fertig ist, muss man ganz schön schuften. Arbeiten kann so viel Freude machen.   Fotos: Pfannes
Mit dem Bollerwagen ziehen die Kleinen vom Fahrer Kindergarten in den Wald und alle sind sich einig: Das macht viel Spaß.
Mit dem Bollerwagen ziehen die Kleinen vom Fahrer Kindergarten in den Wald und alle sind sich einig: Das macht viel Spaß.
 

Mehrmals pro Woche ziehen die Kindergartenkinder aus Fahr hinaus in die Natur. Sie freuen sich schon auf September, denn dann wird der Wald- und Hauskindergarten zur festen Einrichtung und sie dürfen jeden Vormittag zwischen den Bäumen herumtoben.

"Mit den alten Ästen kann ich schöne Häuser bauen", sagt Samuel und grinst über beide Wangen. Der sechsjährige Junge aus Fahr ist am Dienstag zusammen mit seinen Kindergartenkameraden im Wald am Elgersheimer Hof unterwegs. Die kurzweilige Exkursion der Jungen und Mädchen ist keine Eintagsfliege. Mehrmals in der Woche starten die Kleinen mit ihren Erzieherinnen in die herrliche Natur am Mainufer. Bald soll das neue Konzept zur festen Einrichtung werden. Ab Herbst dieses Jahres wird aus der Fahrer Kindertagesstätte St. Franziskus ein Wald- und Hauskindergarten. Ab September verbringt der Nachwuchs dann die Vormittage in dem naturbelassenen Waldgebiet, auf grünen Wiesen und am schönen Mainufer. Nachmittags geht es dann zurück in den Kindergarten.

Ein Zelt aus Zweigen und Blättern

In dem Waldstück am Ortsrand werkeln die quirligen Kinder wie auf einer Baustelle.
Eifrig sammeln sie trockene Äste und Zweige vom Boden auf. "Heute bauen wir mit abgestorbenen Ästen ein Zelt", gibt Kindergartenleiterin Simone Wieland die Parole für diesen Vormittag aus. Große und kleine, schwere und leichte Äste lehnen die fleißigen Handwerker an einen Baum, bis das imaginäre Zelt fertig ist. "Wir brauchen aber doch auch noch ein Dach, wenn es regnet", sagt Josef. "Du darfst mit Blättern ein Dach bauen. Aber nur die Blätter vom Boden aufheben, nicht vom Baum abreißen", antwortet Kinderpflegerin Nicole Krapf. Schließlich sollen die Kinder den verantwortungsvollen und wertschätzenden Umgang mit der Natur lernen.
Da passt es gerade ins Bild, dass Isabell ein Stück Draht vom Waldboden aufhebt und damit zu Simone Wieland läuft. "Schau mal Simone, was ich da gefunden habe. Das ist alter Draht", sagt sie. Die Kindergartenleiterin erklärt den Kindern, warum es nicht gut ist, Müll in den Wald zu werfen. Tiere könnten sich an dem verrosteten Draht verletzen und elendig zu Grunde gehen. Auf ihrem Bollerwagen haben die kleinen Waldpolizisten einen mächtigen Müllsack mitgebracht, in dem der gesammelte Unrat verschwindet und zuhause entsorgt wird.
"Wir waren schon oft im Wald und haben bei den Kindern eine positive Veränderung bemerkt", erläutert Simone Wieland. "Die Kinder sind viel ausgeglichener und können ihren Bewegungsdrang ausleben", sieht sie klare Vorteile in der Natur. Auf diese Weise kam bei den Verantwortlichen die Idee auf, nicht nur ab und zu in die Natur zu wandern, sondern täglich hinaus an die frische Luft zu gehen.
Weil die Eltern wissen, dass "wir bei Wind und Wetter rausgehen", rüsten sie ihre Kleinen mit den richtigen Klamotten aus. Regenhose und Gummistiefel liegen im Kindergarten immer parat.
Wielands Kollegin Nicole Krapf hat selbst zwei Kinder und ist begeistert von der Idee des Waldkindergartens. "Wenn es so etwas früher schon gegeben hätte, wäre  mein  erstes Kind sofort in diesen  Waldkinder-garten gekommen", ist sie von dem Projekt überzeugt. "Die Kinder werden konzentriert und kreativ", sieht die Kinderpfle-gerin die  Hauptvorteile  des Naturkindergartens. "Ein Stöckchen wird zum Bohrer oder es entsteht eine kleine Wurzelfee", erzählt sie. "Die Mädchen und Buben werden geerdet und ganz ruhig", hat sie eine positive Verhaltensveränderung bei den Kleinen festgestellt. "Die frische Luft stärkt das Immunsystem und die Kinder werden robuster." Und nach der Waldarbeit darf man dann auch mal müde sein. "Es kommt schon öfter vor, dass die Kleinsten am Nachmittag im Hauskindergarten ein Nickerchen machen."

Die Stadt zieht mit

Simone Wieland ist glücklich, dass sie in der Stadtverwaltung offene Ohren für das Projekt gefunden hat. Sie ist Bürgermeister Peter Kornell (FWG) dankbar, dass der Kindergarten das städtische Waldstück kostenlos nutzen darf. Auch der örtliche Förster wurde in die Planungen involviert. Jetzt suchen die fleißigen Waldarbeiter aus dem Kindergarten noch einen geeigneten Bauwagen, den man im Wald stehen lassen kann, um bei Starkregen ein Dach über dem Kopf zu haben.
Weil es nach den Regentagen der vergangenen Woche am Dienstag wieder einmal sonnig war, brauchten Samuel und seine Kameraden keine Regenschirme. Und als Sonnenschutz genügte am Ende auch das schmucke Zeltdach aus alten Blättern. Und Samuel freute sich schon auf den nächsten Ausflug: "Ich bin viel lieber im Wald als im Kindergarten."