Druckartikel: Von der Dampfbrauerei zu McDonald's

Von der Dampfbrauerei zu McDonald's


Autor: Siegfried Sebelka

Kitzingen, Donnerstag, 01. Sept. 2016

Im letzten Teil zur Sommerausstellung anlässlich des 500-jährigen Jubiläums zum Reinheitsgebot geht es um die Brauerei Scheuernstuhl.
Leonhard Scheuernstuhl ist 1884 in Kitzingen eingestiegen.


Noch bis Sonntag, 4. September, läuft die Sommerausstellung 2016 des Kulturvereins PAM. Zur Feier des 500-jährigen Jubiläums des bayerischen Reinheitsgebots. In der Rathaushalle in Kitzingen dreht sich bis dahin alles ums Kitzinger Bier. Die Ausstellung Hopfen und Malz – Kitzinger Brautradition begleiten wir mit einer kleinen Serie. Im letzten Teil des von den Ausstellungsmachern Renate Haass und Klaus Christof zur Verfügung gestellten Textes geht es zurück zum Anfang des 19. Jahrhunderts.

Beginn der Geschichte

Da begann die Brauereigeschichte Kitzingens im Leidenhof. Genau gegenüber lag das 1829 von Michael Erb erworbene Haus, in dem er Schritt für Schritt eine Bierbrauerei etablierte, die 1858 in Betrieb genommen wurde. 1874 trat Georg Dappert als Besitzer auf, um später mit seinen Kompagnons Darlapp und Rabus die Gesellschaftsbrauerei Kitzingen zu begründen.

Als die mit einer Dampfmaschine mit Kesselanlage ausgerüstet war, firmierte sie unter dem eindrucksvollen Namen Gesellschafts-Dampfbrauerei-Kitzingen. Trotz aller Investitionen schwächelte die Braustätte in der Folge und kam nicht mehr über eine Jahresproduktion von 400 Hektolitern hinaus.

Rettung aus Nürnberg

Zwei Herren aus Nürnberg, Georg Heyd und der Bierbraumeister Johann Friedrich Scheuernstuhl, übernahmen 1884 das marode Unternehmen. Es gelang ihnen, den Betrieb zu sanieren und einen wirtschaftlichen Durchbruch in Gang zu setzen. Maßgeblichen Anteil daran hatte ein helles Bier, das den Kitzingern erstmals 1885 vorgestellt wurde. Gleichzeitig mussten sie feststellen, dass der Entwicklung ihrer Heyd & Scheuernstuhl Bierbrauerei in der Altstadt Grenzen gesetzt waren, obwohl die Kelleranlagen 1884/85 eine Erweiterung erfahren hatten.

So verfolgten sie Aussiedlungspläne in Richtung Stadtperipherie, um dort ihre Vision einer modernen Brauerei verwirklichen zu können. Mit einem auf dem Kamm des Sonnenhügels gelegenen Grundstücks war der ideale Standort für die Verlagerung gefunden.

Brauerei–Standort Sonnenhügel

Noch im Jahr 1885 begannen Heyd und Scheuernstuhl am neuen Standort mit dem Bau gewaltiger Kelleranlagen, 16 Meter unter der Kuppe, die sie umgehend für die Lagerung ihrer Biere nutzten. Ein 90 Meter tiefer Brunnen lieferte ab 1886 das klare Brauwasser. Nach dem frühen Tod Georg Heyds 1893 musste Scheuernstuhl alleine voranschreiten, um die gemeinsam entwickelten Vorstellungen einer nach den Produktionsabläufen strukturierten neuen Brauereianlage Realität werden zu lassen. Das Unternehmen war von nun an im alleinigen Besitz der Familie Scheuernstuhl.

Schon 1896 übergab Johann Friedrich Scheuernstuhl seinem Sohn Leonhard die Prokura. Ab 1903 entstanden am Sonnenhügel elf imposante Betriebsgebäude in der typischen Backsteinarchitektur, in die man Schritt für Schritt umzog. Der alte Gebäudekomplex in der Altstadt beherbergte fortan eine Mälzerei, das Kontor und die Brauereischenke.

Als sein Vater 1916 starb, erbte Leonhard Scheuernstuhl den Familienbesitz und führte die Brauerei durch den 1. Weltkrieg. Mit dem Erwerb der Braukontingente und der Übernahme des Kundenstammes der Bergbräu Repperndorf um 1919 konnte er seinen Bierausstoß noch einmal kräftig erhöhen.

Offene Handelsgesellschaft

Durch die Einbeziehung seines Sohnes Fritz und der Schwiegersöhne Otto Beyer und August Gauer in den Betrieb verwandelte man diesen 1930 in eine Offene Handelsgesellschaft. Ab diesem Zeitpunkt firmierte die Brauerei unter dem neuen Namen Bayerische Exportbierbrauerei Heyd & Scheuernstuhl. 1936 verließ Gauer den Betrieb schon wieder. Den 2. Weltkrieg überstand die Brauerei trotz ihrer exponierten Lage ohne größere Schäden.

Mit dem Ausscheiden Otto Beyers aus dem Unternehmen im Jahr 1950 und dem Tod des Kommerzienrates Leonhard Scheuernstuhl im Jahr 1956 wurde sein Sohn Fritz zum Alleininhaber des Brauhauses. Dessen Ableben im Jahr 1977 führte zu einer Zäsur in der Betriebsführung, nachdem sein Sohn Loni bereits 1970 gestorben war.

Abriss an markanter Stelle

Einer Erbengemeinschaft, bestehend aus Tochter Ilse Hoffritz und Schwiegertochter Dr. Hannelore Scheuernstuhl, fiel nun die Verantwortung der Brauereiführung zu. Schon im Jahr 1981 musste aufgrund der unabdingbar notwendigen Erneuerungsmaßnahmen und der damit verbundenden hohen Kosten die Entscheidung getroffen werden, die Traditionsbrauerei stillzulegen.

Das Areal verkauften die Erben an die Fastfood-Kette McDonald's, die durch die Einrichtung einer „Drive–in–Anlage“ den Abriss des markanten, stadtbildprägenden Industriebaudenkmals unwiderruflich besiegelte.

Öffnungszeiten: Die Rathaushalle ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet: Der Eintritt ist frei. Den 250 Seiten starken Katalog gibt es in der Ausstellung.

Weitere Informationen: :info@multiculture-artsnetwork.info