„Zu viele Spieler waren satt“
Autor: Eike Lenz
Kitzingen, Donnerstag, 28. Juni 2018
Nach dem frühen WM-Aus der Deutschen tagt das Scherbengericht. Auch Trainer aus der Region sehen die Auftritte der DFB-Elf kritisch. Für sie ist Joachim Löw angezählt.
Es war einmal eine Mannschaft, die das Volk mit ihrer Leichtigkeit verzückte und verzauberte, ein Team, das die Herzen der Leute im Sturm eroberte. Es war einmal . . . Das Sommermärchen von 2006 – mit dem Aus bei der WM in Russland ist es endgültig zu Ende. Zwölf Jahre nach der Geburt dieser goldenen Generation ist nicht mal ein Silberstreif am Horizont geblieben, und viele können noch immer nicht glauben, was da gerade passiert ist. Es war ein kleines bisschen Horrorshow, was da in drei Spielen ablief. Im deutschen Team herrschte panische Angst – Angst davor, zu den größten Verlierern in der Historie des deutschen Fußballs zu gehören.
Nun ist es doch geschehen: Der Weltmeister von 2014 ist in der Vorrunde gescheitert. Er hat kapituliert. Nie zuvor hat sich eine deutsche Mannschaft bei einer WM so zeitig verabschiedet. Das Tröstliche: Es war verdient. Sie wirkte wie aus der Zeit gefallen mit ihrem antiquierten Ball- und Tempoverschleppungsfußball. Und Joachim Löw? Der Bundestrainer ist eine tragische Figur, wie die Bundeskanzlerin, mit der ihn dieser Tage erstaunlich viele Parallelen verbinden. Löw hat viel geleistet für den deutschen Fußball, aber den richtigen Zeitpunkt seines Abschieds hat er verpasst. Nicht alle der von uns befragten Trainer aus der lokalen Fußball-Szene plädieren für einen Wechsel an der Spitze des Zirkus Maximus. Einen entschlossenen Neuanfang aber halten sie nach dem Debakel für unvermeidlich.
Jürgen Walter (64 Jahre, zuletzt Trainer des Kreisklassisten TSV Biebelried): Das Spiel gegen Südkorea habe ich im Kreis von Freunden geschaut, und wir alle haben das Aus der Deutschen mit Fassung getragen, ohne große Emotionen. Natürlich waren alle ernüchtert, aber seien wir ehrlich: Das war doch vorhersehbar. Zu viele Spieler waren satt.
Man hatte den Eindruck, diese Millionarios haben es gar nicht nötig, sich zu verausgaben. Da fehlten Begeisterung, Herzblut, Leidenschaft, einfach alles. Der Sieg gegen Schweden, dieser Treffer in letzter Minute, hat die Schwächen eher kaschiert, als einen Bann zu brechen, wie viele gehofft hatten. Das Spiel gegen Südkorea war ein Schritt zurück zu der Mannschaft, die im ersten Spiel so enttäuscht hatte.
Was man Joachim Löw vorwerfen kann? Vielleicht, dass er sich abgewandt hat von den jungen Spielern, die im Jahr zuvor so überragend den Confed Cup gewonnen hatten, und stattdessen lieber auf bewährte Kräfte gesetzt hat. Jetzt muss ein Umbruch her. Ich weiß nicht, ob Löw dafür der Richtige ist. Selbst in der Kreisklasse spürt ein Trainer: Da kannst du jetzt nicht weitermachen.
Thomas Beer (46, Trainer des SSV Kitzingen in der Kreisliga): Ich hatte die Hoffnung, dass wir nach den zum Teil bodenlosen Testspielauftritten den Schalter umlegen können, wie eigentlich immer bei großen Turnieren. Aber dazu hätte es mehr Einsatz, mehr Laufbereitschaft gebraucht und nach vorne mehr Tempo. Die deutsche Elf hatte im ganzen Turnier zwei, drei Situationen, in denen der Ball wirklich mal steil in die Gasse gekommen ist, sonst nur Einzelaktionen. Das hat gegen Südkorea gerade zu zwei Torchancen gereicht. Sie hat keine Balance zwischen Abwehr und Angriff gefunden.
Dieses Ballschleppen, wie das Özil beispielhaft praktiziert, kann die Gegner nicht mehr verblüffen. Die haben unser Spiel doch längst entschlüsselt. Nach dem Last-Minute-Sieg gegen Schweden dachte ich, es würde ein Ruck durch die Mannschaft gehen. In diesem Spiel waren wir die bessere Elf. Gegen Mexiko war die Defensivarbeit desolat. Aber der Bundestrainer hat gar nicht reagiert. Ich hoffe, dass er die richtigen Lehren aus diesem Auftreten zieht. Die Mannschaft braucht jetzt mal eine neue Ansprache. Andererseits sehe ich gerade keinen, der den Job übernehmen könnte.