Der positive Wendepunkt einer Karriere
Autor: Von unserem Redaktionsmitglied JÜRGEN HÖPFL
, Mittwoch, 23. Februar 2011
Spitzenadressen wie die Frankfurter Skyliners, Paris Basket Racing oder Aris Thessaloniki stehen hervorgehoben als Referenzen im Beitrag der Internet-Enzyklopädie über Gordon Herbert. Doch jenes Team, das er in der Saison 2000/2001 mit spektakulärem Erfolg betreut hatte, dem er die „vielleicht großartigste Zeit meiner Karriere in einer wunderschönen Stadt mit der Burg auf einem Hügel“ verdankte, mit dem der Kanadier seine Karriere als Coach erst fundamentierte – jenes Team wird nur in der Rand-Statistik erwähnt.
Daran sieht man mal wieder, dass Wikipedia doch nicht alles weiß: Spitzenadressen wie die Frankfurter Skyliners, Paris Basket Racing oder Aris Thessaloniki stehen hervorgehoben als Referenzen im Beitrag der Internet-Enzyklopädie über Gordon Herbert. Doch jenes Team, das er in der Saison 2000/2001 mit spektakulärem Erfolg betreut hatte, dem er die „vielleicht großartigste Zeit meiner Karriere in einer wunderschönen Stadt mit der Burg auf einem Hügel“ verdankte, mit dem der Kanadier seine Karriere als Coach erst fundamentierte – jenes Team wird nur in der Rand-Statistik erwähnt. „Was damals dort passiert ist, war etwas ganz Seltenes“, erinnert sich „Gordie“ Herbert an diese schöne Stadt mit der Burg auf einem Hügel: „Wir hatten eine junge und entwicklungsfähige Mannschaft mit einigen ziemlich guten deutschen Jungs, die noch den Geist von Dirk Nowitzki gespürt haben, konnten eine ziemlich starke Saison spielen und sogar Alba Berlin besiegen, und alles war noch voller Leidenschaft. So wie damals wird es nie mehr sein!“
52 Jahre ist der Ex-Trainer der vormaligen DJK s. Oliver Würzburg mittlerweile alt, das Haupthaar, nun ja, sichtbar ergraut. Doch der ganze Kerl wirkt unverändert drahtig und smart wie einst vor zehn Jahren – auch wenn er die eigene Gentleman-Ausstrahlung skeptisch bestreitet: „Man wird älter, was soll man tun?“, fragt er rhetorisch und legt die Hand auf den minimalen Bauchansatz: „Zum Glück geht es ja uns allen so.“ Der Rücken ist malad, ein Bandscheibenvorfall der heftigen Art hat trotz der im Sommer 2009 erfolgten Operation und entsprechenden Zwangspause Schmerzen hinterlassen. Im feinen Trainerbüro der Frankfurter Skyliners steht sogar ein orthopädischer Ledersessel, auf dem sich Gordon Herbert während unseres Nostalgietreffens in Schonhaltung legt.
Die ständigen Umzüge, Orts- und Vereinswechsel haben ihre Spuren gezeitigt. Auf Würzburg folgten Frankfurt und Paris, dann Pau-Orthez in den Pyrenäen, Thessaloniki in Griechenland, Toronto in Kanada, Espoo in Finnland, zwischendurch parallel zwei Jahre lang die georgische Nationalmannschaft und schließlich wieder Frankfurt. „Ich liebe, was ich tue, liebe meinen Job“, sagt Herbert: „Auch wenn es zur Natur dieses Jobs gehört, dass er bisweilen schwierig ist“.
Es sind eher leise Untertöne, die er im Blick auf die vergangenen Jahre anklingen lässt. Gattin Sari, mit der er seit 1985 verheiratet ist, lebt nebst den Söhnen Daniel und Mikael nach wie vor in ihrer Heimat Uusihaupunki bei Turku in Finnland, das war schon zu DJK-Zeiten nicht anders. Sein 17- und sein 16-Jähriger gehen dort aufs Gymnasium und sehen ihren Vater zwei- bis dreimal pro Jahr. „Auch das ist Teil meines Jobs“, sagt dieser: „Doch es ist nicht erstrebenswert, glauben Sie mir, nachts nach dem Training oder Spielen in eine kühle, dunkle Wohnung zu kommen und zu wissen, keiner ist da.“
In Frankfurt indessen, mag er die Stadt als solche trotzdem nicht für die schönste seiner Laufbahn halten, hat er's sportlich durchaus gut, trifft er auf vornehme Verhältnisse – eine Grundausstattung auf NBA-Niveau. In einem Einkaufszentrum der Nordweststadt – optisch eher unattraktiv, aber effizient – verfügt der erst 1999 gegründete Klub, ein klassischer Retortenverein, über eine Geschäftsstelle und ein beinahe luxuriöses Trainingszentrum, das den deutschen Meister von 2004 adelt und schier der Konkurrenz enthebt. Gordon Herbert ist als Coach der Chef, die Zahl der Videos und DVDs und Analyse-Akten in seinem Schrank so umfangreich wie das Archiv mancher Bibliothek. Aktuell rangieren die Frankfurter im Bundesliga-Tableau auf Platz zwei hinter Bamberg, ihren Meistertitel holten sie vor sieben Jahren während der ersten Amtszeit von Gordon Herbert, der deshalb in der Bankenstadt am Main ein hohes Ansehen und gute Freunde hat, darunter den Arzt, der ihn nach dem missglückten Erst-Eingriff in Toronto ein zweites Mal am wehen Rücken operierte und zur zweiten Amtszeit animierte.
Dass es in der neuen Saison ein unerwartetes Wiedersehen mit den Würzburgern geben könnte, freut Gordon Herbert allerdings: Wenn eine solche Basketball-Hochburg wie Würzburg mit ihren vielen Anhängern zurückkehren würde, wäre das sicher nur gut für die Liga!“ Ja ja, die Stadt mit der Burg auf einem Hügel – plötzlich gerät der „Gordie“, wie sie ihn riefen, nochmal ins Schwärmen, erzählt er von seinen Schützlingen Demond Greene und Robert Garrett und Marvin Willoughby und Darko Krezic, mit denen er Bundesliga-Fünfter wurde damals, nachdem sie sich mit Avitos Gießen vier heiße Play-off-Duelle geliefert hatten. Es war ein Team, das von den Namen her heute fast unglaublich klingt, das schon rein finanziell nicht mehr zu halten war – am wenigsten der Trainer, der nach bescheidenen Anfängen in Finnland und Österreich erstmals auf sich aufmerksam machte: „Die Arbeit mit all diesen guten Jungs hatte Sinn, war ein großer Schritt für mich und der positive Wendepunkt meiner Karriere.“
Heute ist er einer der angesehensten und begehrtesten Vertreter seiner Branche. „Aber auch im deutschen Basketball hat sich vieles verändert im letzten Jahrzehnt“, sagt er: „Es würde bei aller berechtigten Freude über ihr Comeback nicht einfacher werden für die Würzburger.“ Wenn Freunde einem derlei sagen, darf man das getrost glauben. Denn wie war das noch gleich? „So wie damals wird es nie mehr sein!“ Eben.