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Iphofen: Baustoffhersteller Knauf scheitert vorerst mit Russland-Rückzug - Investitionen in der Ukraine


Autor: Stefan Lutter

Iphofen, Donnerstag, 09. Oktober 2025

Der fränkische Baustoffproduzent Knauf wird sein Russland-Geschäft nicht los. Wie das Unternehmen erklärt, seien entsprechende Verhandlungen "vorerst gescheitert". Unterdessen investiert der Gips-Hersteller kräftig in der Ukraine.
Die Firma Knauf steht wegen ihrer Russland-Geschäfte in der Kritik. (Archivbild)


Eineinhalb Jahre nach der Ankündigung des Rückzugs aus dem Russland-Geschäft gibt es immer noch keine Vollzugsmeldung beim Baustoffhersteller Knauf aus dem unterfränkischen Iphofen (Landkreis Kitzingen). Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Dienstag, 7. Oktober 2025. 

Demnach habe es der Gips-Produzent bisher nicht geschafft, sich aus dem russischen Markt zurückzuziehen. Nachdem das Unternehmen im April 2024 ankündigt hatte, sich angesichts des Ukraine-Kriegs von seinen Geschäften in Russland zu trennen, seien die Verhandlungen über einen Verkauf nun "vorerst gescheitert". Laut dpa habe "der Verhandlungspartner die Gespräche abgebrochen". Um wen es sich bei dem Kaufinteressenten gehandelt hatte, teilte Knauf nicht mit. 

Knauf mit Update zur Russland: Lokales Management führt Geschäft weiter

In der Mitteilung vom 7. Oktober, die inFranken.de vorliegt, betont Knauf, dass besagte Gespräche "zum Bedauern des Unternehmens abgebrochen" worden seien. Knauf stehe aber unverändert zu den Plänen, sich aus Russland zurückzuziehen: "Das Unternehmen prüfe in einem sehr herausfordernden Umfeld weitere mögliche Optionen, diesen Rückzug unter Wahrung der Interessen seiner Mitarbeitenden in Russland und im Einklang mit den geltenden Sanktionen umzusetzen."

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Das Unternehmen betont, keine Gewinne aus den russischen Geschäften zu ziehen, die Geschäfte werden derzeit vom lokalen Management geführt.

Gegenüber inFranken.de erklärt das Unternehmen: "Dass unser russisches Geschäft vom lokalen Management weitergeführt wird, ist eine schiere Notwendigkeit angesichts des gestern mitgeteilten Abbruchs der Verkaufsgespräche, ganz unabhängig von der Tatsache, dass uns im Einklang mit den geltenden Sanktionen keine Gewinne aus Russland zufließen."

Wirtschaftliche Bedeutung des Russland-Geschäfts

Knauf hat mehrfach betont, sich streng an die geltenden Sanktionen zu halten. "Ebenfalls im Einklang mit den geltenden Sanktionen, denen Knauf streng folgt, werden seit Jahren keine Waren mehr aus Russland in die EU exportiert bzw. von dort nach Russland importiert", heißt es in der Mitteilung des Gips-Herstellers.

Trotzdem war das Unternehmen in die Kritik geraten - zuletzt im Mai dieses Jahres. Es wurde spekuliert, dass die Produkte von Knauf in Russland möglicherweise indirekt zur Unterstützung des Bausektors beitragen könnten. "Insbesondere widersprechen wir dem Vorwurf, Knauf würde wissentlich den Bau und Betrieb von Nuklearwaffenbasen durch direkte Produktlieferungen unterstützen", teilte das Unternehmen mit Sitz im unterfränkischen Iphofen (Kreis Kitzingen) damals mit. 

Hintergrund war ein Spiegel-Bericht, dem zufolge Knauf-Materialien wie Gips oder Zement für den Ausbau von russischen Atomwaffenstützpunkten verwendet worden sein könnten. Der Baustoffproduzent weist diese Vorwürfe zurück und erklärte, dass die Produkte ausschließlich an unabhängige Händler verkauft würden, auf deren weiteres Vorgehen das Unternehmen keinen Einfluss habe. Knauf beschäftigt in Russland rund 4000 Mitarbeiter - knapp zehn Prozent der weltweiten Belegschaft. Allerdings schränkt die dpa diese Zahlen ein: Sie stammten "aus einer früheren Mitteilung". Eine aktuelle Zahl zum Personal in Russland nannte Knauf zunächst nicht. 

Schwieriger Rückzug

Der vor allem für seine Gips-Produkte bekannte fränkische Baustoffhersteller ist ein international agierendes Familienunternehmen, das in über 90 Ländern tätig ist und mehr als 320 Produktionsstätten betreibt. Im Jahr 2024 erwirtschaftete die Knauf-Gruppe mit etwa 43.500 Mitarbeitern einen Umsatz von 15,6 Milliarden Euro. Das Russland-Geschäft, das als bedeutender Markt für die Firma galt, ist insbesondere aufgrund der geopolitischen Spannungen zu einem wunden Punkt geworden. 

Die gescheiterten Verhandlungen werfen Fragen auf, warum der Rückzug bisher nicht umgesetzt werden konnte. Experten vermuten, dass der Verkauf eines großen Geschäfts in Russland unter den aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Bedingungen besonders schwierig ist. Potenzielle Käufer könnten sich aufgrund von Sanktionen oder politischen Risiken zurückhalten. Außerdem hat der russische Staat strenge Restriktionen für den Verkauf westlicher Unternehmen eingeführt, um die wirtschaftliche Stabilität im Land zu sichern. Dies geht aus einem Bericht des Handelsblatts hervor.

Dennoch steht das fränkische Unternehmen unter wachsender öffentlicher Beobachtung. Kritiker werfen dem Unternehmen vor, nicht konsequent genug zu handeln. Die Tatsache, dass das Unternehmen weiterhin in Russland tätig ist, obwohl es den Rückzug angekündigt hat, wird von einigen als moralisch fragwürdig angesehen. Auf der anderen Seite argumentieren Wirtschaftsanalysten, dass ein geordneter Rückzug in einem so komplexen Markt Zeit benötigt und von vielen externen Faktoren abhängt.

Knauf investiert 150 Millionen Euro in der Ukraine 

Knauf betont darüber hinaus sein Engagement in der Ukraine. "Wir sind in der Ukraine bereits seit vielen Jahren tätig, lange bevor die russischen Truppen einmarschiert sind", versichert ein Knauf-Sprecher gegenüber inFranken.de. Unternehmensangaben zufolge produziere und investiere das fränkische Unternehmen erheblich in der Ukraine, um das vom Krieg gebeutelte Land bei der Erhaltung und beim Wiederaufbau seiner Infrastruktur zu unterstützen. "Insgesamt investieren wir in der Region bis 2027 150 Millionen Euro und schaffen damit zahlreiche neue Arbeitsplätze", erklärt Knauf.
 
Im bestehenden Werk in Kiew beschäftige Knauf bereits rund 420 Mitarbeiter. Rund 200 davon seien zuvor im ehemals landesweit größten und durch den Krieg zerstörten Knauf-Werk in Soledar bei Donezk tätig gewesen, deren Umsiedlung nach Kiew das Unternehmen unterstützt haben.  Im Westen des Landes (Stadt Borschtschiw/Region Ternopil) baue Knauf tatsächlich zwei neue Werke, räumt der Baustoffhersteller ein. Dabei handle es sich um ein Gipsputzwerk und ein Gipsplattenwerk. Das Gipsputzwerk hat den Betrieb in zwei Schichten bereits im August aufgenommen. Das Gipsplattenwerk soll bis Ende 2026 in Betrieb genommen und über das Jahr 2027 weiter ausgebaut werden. "Wenn beide Werke fertiggestellt und voll angelaufen sind, werden dort insgesamt rund 300 neue Kolleginnen und Kollegen arbeiten."
 
Wie Knauf weiter erklärt, unterstütze man in der Ukraine auf lokaler und regionaler Ebene zum Beispiel mit Produktspenden, bei der Wiederherstellung und Renovierung zahlreicher Objekte – von Bildungseinrichtungen bis hin zu Krankenhäusern und Kliniken. "Selbstverständlich sind und bleiben wir im Gespräch mit den staatlichen Stellen, Behörden und Partnern in der Ukraine, um auch darüber hinaus dort zu unterstützen, wo wir weitere sinnvolle Beiträge leisten können." 

Baumaterialien dringend benötigt

Die Verfügbarkeit lokaler Rohstoffe sei eine notwendige Voraussetzung für die Ausweitung der Knauf-Produktion dringend benötigter Baumaterialien in der Ukraine. Deswegen habe sich das unterfränkische Unternehmen die Abbaurechte an Gipsvorkommen in der Ukraine gesichert. Das Hauptgipsvorkommen sei nur wenige Kilometer vom neuen Werk in Borschtschiw entfernt gelegen. Dies gewährleiste eine schnelle und verlässliche Verfügbarkeit, kurze Wege und einen geringen CO₂-Ausstoß.  

Zudem kooperiere Knauf bereits seit dem Jahr 1998 mit dem Bildungsministerium der Ukraine, mit Universitäten und mit Berufsschulen, um die Ausbildung in den für das Bauwesen relevanten Berufen zu fördern. Im Jahr 2004 wurde mit Unterstützung des Unternehmens der Beruf des Trockenbauers in das ukrainische Bildungssystem eingeführt. Derzeit hätten mehr als 70 ukrainischen Berufsschulen diesen Beruf in ihren Lehrplan aufgenommen. In den 17 in Kooperation mit Berufsschulen eingerichteten Schulungszentren von Knauf würden Programme zu allen relevanten Technologien angeboten. "In enger Kooperation mit dem ukrainischen Bildungsministerium und den regionalen Behörden arbeiten wir derzeit an weiteren Programmen, um ehemalige Militärangehörige und auch Kriegsversehrte im Bereich Bauwesen und Baumaterialien zu schulen und in den Arbeitsmarkt zu integrieren." sl/mit dpa