Nicht für alle Hochbegabten ist die Schulzeit leicht. Wem in der Grundschule alles zufliegt, der muss später erst das Lernen lernen - zum Beispiel für Fremdsprachen. In Würzburg gibt es eine Anlaufstelle, die Hochbegabten hilft.
Es gibt hochbegabte Kinder, die schlichtweg verkannt werden. "Doch die Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer ist deutlich größer geworden", sagt Karl Pröls, der im Evangelischen Beratungszentrum Würzburg hochbegabte junge Menschen begleitet. Dass es um das Thema "Hochbegabung" in der Region recht ruhig geworden ist, liegt laut Pröls daran, dass die Angebote für sehr intelligente Schüler zugenommen haben. Vernetzt werden sie im "Regionalforum Hochbegabtenförderung Unterfranken".
In jeder Klasse gibt es Durchstarter und Spätentwickler. Hochbegabte Kinder gehören meist ersterer Kategorie an: Oft fallen sie schon im Kindergarten dadurch auf, dass sie sich stark für Zahlen, Buchstaben oder außergewöhnliche Themen interessieren.
Laut Susanne Gutzeit von der Staatlichen Schulberatungsstelle in Unterfranken lassen sich hochbegabte Kinder auch an ihrem großen Wortschatz erkennen. Wobei es auch Schüler gibt, die ihre Begabung verstecken. Die Diagnose erfordert viel Wissen. Seit über zehn Jahren trägt die von Gutzeit geleitete Einrichtung mit Fortbildungen dazu bei, dass Lehrer Mädchen und Jungen mit überdurchschnittlicher Intelligenz identifizieren können.
Unbändige Neugier und stürmische Begeisterung, das kann nicht nur Hochbegabte auszeichnen, sondern auch Jungen und Mädchen mit dem Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS). "Verträumtheit, Lernstörungen, störendes Verhalten in der Schule können die Entwicklung der Begabung und die Umsetzung von Begabung in Leistung nachhaltig behindern", führt Gutzeit aus.
Hochbegabte Kinder aus Stadt und Kreis Würzburg, die solche psychosozialen Probleme haben, landen seit zwei Jahren bei Karl Pröls. Fünf seiner Beratungsstunden pro Woche sind für besonders kluge Kinder reserviert. 15 Schülerinnen und Schüler begleitet der Psychologe derzeit.
Mancher dieser Hochbegabten müsste seine Lernstrategie überdenken, sagt Pröls. Zum Beispiel Lorenz (Namen der Jugendlichen geändert). Der Neuntklässler hat einfach "keinen Bock auf Vokabellernen". Eigentlich lernt er überhaupt nicht gern irgendetwas stur auswendig. Das hat bisher auch immer ganz gut geklappt - dank seiner Intelligenz. "Doch die nützt bei Fremdsprachen nicht viel", sagt Pröls. Vokabeln müssen nun mal gepaukt werden. Das mag bei dem einen langsamer, bei dem anderen schneller gehen. Aber niemanden fliegen die Vokabeln einfach so zu.
Schlecht, wer sich in der Grundschule nie anstrengen musste. Denn der hat nicht gelernt, zu lernen.
Während Lorenz seine Zeit am liebsten mit Computerspielen verbringt, statt zu büffeln, bringt Max es nicht fertig, sich so zu verhalten, dass die Lehrer mit ihm klarkommen. Drei Gymnasien hat der Jugendliche bereits hinter sich. Nirgendwo hielt er die Regeln ein. Nirgends akzeptierte er Grenzen. Zum Beispiel die, dass auf dem Pausenhof nicht geraucht werden darf. Das ist nun zwar nicht typisch "hochbegabt", räumt Pröls ein. Auffällig bei überdurchschnittlich schlauen Jugendlichen sei allerdings, dass sie, rein von ihrer Intelligenz, wesentlich älter erscheinen als sie sind: "Doch die sozialen Fähigkeiten sind nicht mitgewachsen."
Sensibel fühlt Karl Pröls im Erstgespräch vor, was wohl hinter der Problematik eines hochbegabten Jugendlichen steckt.
Er rät, wie Konflikte mit einem Lehrer gelöst oder ein problematisches Verhältnis zu den Mitschülern verbessert werden könnte. Geht es rein um "technische" Fragen wie die nach Intelligenzmessungen oder dem Überspringen von Klassen, verweist er auf die Begabungspsychologische Beratungsstelle der Universität. An der Uni, so sein Tipp, können unterforderte Hochbegabte auch ein Frühstudium absolvieren. Spezielle Angebote für diese Schüler gibt es außerdem im Deutschhaus-Gymnasium sowie an der Würzburger Goethe-Kepler-Grundschule.
Viele Erkenntnisse über Hochbegabung wurden inzwischen zusammengetragen. Zum Beispiel, so Susanne Gutzeit, dass es verschiedene Hochbegabungsformen gibt. Darum genügt es auch nicht, nur auf die Intelligenz abzuheben: "Es geht auch um Persönlichkeitsmerkmale wie Begabungen und Lernmotivation." Und um die Familie.
Die Staatliche Schulberatungsstelle bildete mehrere Ansprechpartner für Grundschule, Realschule und Gymnasium aus, die nicht zuletzt helfen, in den Klassen sogenannte Minderleister unter den Hochbegabten zu entdecken. Gutzeit: "Denn nicht jeder Schüler mit einer besonderen Begabung lässt diese auch aufscheinen."