Mörderische Steinschläge auf den schlafenden Gatten?

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Spannender Prozess in Würzburg: Beate B. gestand, ihrem schlafenden Mann einen Stein an den Kopf geschlagen zu haben. Aber warum? „Ich wollte ihn nicht töten“, sagt sie.

Der Prozess, in dem noch viele Fragen unbeantwortet sind, geht jetzt weiter. Die 51-jährige Beate B. hatte zum Auftakt vor Weihnachten gestanden, ihrem schlafenden Mann einen schweren Stein an den Kopf geschlagen zu haben. Aber warum? „Ich wollte ihn nicht töten,“ betont die Angeklagte zu Beginn.

War es ein Mordversuch aus Eifersucht der zierlichen 51-Jährigen? Oder ein Impuls unter Einfluss von Medikamenten gegen Depression?

Ganz banal nahm das Elend in einem kleinen Dorf im Landkreis Kitzingen seinen Lauf: In jener Nacht zum 15. April 2016 blieb der Ehemann im Wohnzimmer sitzen, als seine Frau zu Bett ging. Fühlte sie sich provoziert, dass er stattdessen wieder stundenlang ungestört im Internet surfte - vielleicht sogar mit jener neuen weiblichen Internet-Bekanntschaft, hinter der die Ehefrau mehr witterte?

Ein Stein aus dem eigenen Garten

Erst weit nach Mitternacht kam der Gatte ins Schlafzimmer. Die Beweisaufnahme am Landgericht Würzburg lässt keinen Zweifel: Als er schlief, stand seine Frau auf, lief durch den Korridor des Hauses, öffnete die Tür, griff sich im Garten einen der hellen Ziersteine. Dann stellte sie sich ans Kopfende des Ehebettes, in dem der Mann schlief, mit dem sie 30 Jahre verheiratet war und zwei Kinder hat. Der Stein sauste mehrmals nieder.

Der Mann erwachte, wehrte weitere Schläge ab. Der Lärm weckte den Sohn, der im Haus wohnt. Der trennte die Streitenden und furh den blutenden Vater ins Krankenhaus nach Kitzingen.

Vorwürfe und Sticheleien

Täterin und Opfer wirken vor dem Landgericht Würzburg an den ersten zwei Prozesstagen, als lähme sie bis heute das Entsetzen darüber, was in jener Nacht geschah – und vielleicht Monate vorher schleichend begann. Man lebte routiniert vor sich hin, fuhr gemeinsam in Urlaub. Niemanden in der Umgebung fiel ein Krach oder auch nur eine Verstimmung auf.

Manchmal äußerte die Frau ihren Unwillen, dass der Gatte – wegen eines Bandscheibenvorfalls Monate lang krankgeschrieben – lieber im Internet surfte, als ihr im Haushalt zu helfen. Dass seine Frau wegen Depressionen beim Arzt war, wusste der Gatte zwar. An der Diagnose und den Medikamenten, die sie bekam, zeigte er nach eigenen Angaben aber kein Interesse.

Dafür provozierten ihn ihre Sticheleien, als er per Internet den Dialog mit einer anderen Frau begann – ganz harmlos, wie er sagt. Er habe sich „eingeengt“ gefühlt in jener Zeit, sagte er jetzt als Zeuge. Er habe „mal raus“ gemusst. Also stieg er – ohne etwas zu sagen - in seinen Wagen und fuhr zehn Tage allein weg, nach eigenen Angaben, um sich im süddeutschen Raum Reha-Kliniken anzusehen, die für ihn in Frage kamen.

Harmlose Begegnung

Bei einem Motorradtreffen kam es dann auch zur Begegnung mit der Internet-Bekanntschaft, einer Krankenschwester. Ganz harmlos sei das gewesen, versichert der Mann, man habe ein paar Stunden geplaudert und dann sei jeder wieder seiner Wege gegangen – „auch wenn meine Frau später behauptete, dass ich ihr verfallen wäre.“

Es gib keine Fakten, die etwas anderes nahelegen würden. Aber nach der Rückkehr gingen die Sticheleien weiter, bis der Streit nach ein paar Nächten eskalierte.

Wegen der Medikamente gegen eine depressive Verstimmung habe seine Mandantin zum Zeitpunkt der Tat „neben sich gestanden“, sagt Verteidiger Norman Jacob. Ob ein Gutachter diese Version für möglich hält, muss sich noch zeigen. Aber sie deckt sich mit Schilderungen der Polizisten , die als erste am Tatort waren: Die Frau habe irritiert gewirkt – und die Polizisten eher als Bekannte wahrgenommen statt als Ermittler.

Die Polizeibeamten aus Kitzingen schildern die Frau im Alltag als ausgleichend, freundlich, sanft und fröhlich. Sie müssen es wissen, denn Beate B. hat jahrelang in der Polizei-Inspektion Kitzingen als Schreibkraft gearbeitet. Eine Furie - die ihrem Mann in ihrer ungezügelten Wut nachts im dunklen Schlafzimmer den Schädel einschlagen will - stellt man sich anders vor.

„Ich habe ihn nicht töten wollen“

Zierlich und leise wirkt sie auf der Anklagebank, geduckt, als suche sie Schutz bei ihrem Verteidiger Norman Jacob. Der sitzt wie ein Prellbock zwischen ihr und dem 30 Zentimeter größeren und 40 Kilogramm schwereren Ex-Mann, der seine Interessen nun als Nebenkläger vertritt. Meist blickt er starr vor sich hin. Er sei inzwischen geschieden, sagt er auf Nachfrage des Gerichts – und klagt, er müsse nun wohl bald aus dem gemeinsamen Haus ausziehen.

Beate B. habe nicht beabsichtigt, ihren Mann zu töten, sagt in ihrem Namen zunächst Verteidiger Norman Jacob. Dann gibt sie sich einen Ruck, wendet sich ihrem Ex-Mann zu: Sie entschuldigt sich bei ihm, betont aber erneut für das Gericht: „Ich habe ihn nicht töten wollen.“

Mit großer Ernsthaftigkeit scheint sie tatsächlich nicht zugeschlagen zu haben. „Keine der Verletzungen war konkret lebensgefährlich,“ sagt Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen. Doch die Angeklagte nahm billigend in Kauf, dass ihre Schläge seine Schläfe treffen und ihn das Leben kosten konnten. Für ihre Version spricht, dass der körperlich überlegene Ehemann aufstehen und ihre weiteren Schläge abwehren konnte. Er war sogar so gut bei Sinnen, dass er den Stein (eingewickelt in ein verblutetes Pyjama-Oberteil) – im Auto mitnahm, als „Beweisstück“, wie er heute sagt. Das übergab er am Krankenhaus der alarmierten Polizeistreife.

Hoffen auf Gnade

Der Prozess geht am Mittwoch und Donnerstag weiter – mit zwei Gutachtern, die sich zum Verhalten der Angeklagten äußern sollen. Bleibt es am Ende bei versuchtem Mord, müsste die Frau jahrelang hinter Gitter. Ihr gelten viele Sympathiebekundungen und verständnisvolle Zurufe der Zuschauer, die fast alle aus dem Heimatort der Angeklagten im Landkreis Kitzingen kommen. Ginge es nach ihnen, würden die Richter gnädig über die Steinschläge der 51-jährigen Beate B. urteilen.

Der Prozess wird am Mittwoch und Donnerstag, jeweils ab 9 Uhr, im Sitzungssaal 17 des Strafjustizzentrums fortgesetzt.

Vorschaubild: © Boris Roessler (dpa)