Ein paar Beleidigungen reichten, um einen 16-jährigen Schüler zum Ausrasten zu bringen. In blinder Selbstjustiz schuf er Fakten und trat seinen Kontrahenten krankenhausreif. Vor Gericht musste er sich für seine Tat verantworten.
Facebook heißt übersetzt soviel wie "Buch der Gesichter". Ein Gesicht von einem Schüler, das im letzten Juni auf Facebook die Runde machte, gab ein wirklich farbintensives Bild ab. Rot und Blau waren die vorherrschenden Farben. Sie stammten von den Tritten und Schlägen eines 16-jährigen Jugendlichen, der sich damit für einige Beleidigungen rächen wollte, die in den Tagen zuvor über das soziale Netzwerk ausgetauscht worden waren.
"Er hat mich und meine Schwester beleidigt", rechtfertigte der Jugendliche seine Tat. "Als ich ihn dann gesehen hatte, bin ich innerlich explodiert." Richter Wolfgang Hülle und der Staatsanwalt waren in der Verhandlung am Kitzinger Amtsgericht gleichermaßen erschüttert, wie wenig es offenbar braucht, um Jugendliche, denen es völlig am Respekt vor der Gesundheit anderer fehlt, zur Selbstjustiz zu bewegen.
Einfach ins Gesicht getreten Der Täter hatte sein Opfer eines Abends am Mainkai sitzen und Pizza essen sehen. Er näherte sich ihm und wollte ihn zur Rede stellen. Als der Angesprochene aber keine Lust auf eine körperliche Auseinandersetzung zeigte, trat ihm sein Kontrahent kurzerhand brutal ins Gesicht und ließ zur Sicherheit noch ein paar Faustschläge folgen. Dann stieg er aufs Rad und fuhr weiter als sei nichts geschehen.
"Das ist keine Kleinigkeit", versuchte der Staatsanwalt dem Jugendlichen die Tragweite seiner Tat bewusst zu machen. "Als Erwachsener verbringt man für so etwas sechs Monate im Knast". "Ihr Glück ist nur", schob der Richter nach, "dass nicht mehr passiert ist. Da ist schnell mal das Augenlicht für immer beeinträchtigt". Zum Glück war es in der Tat glimpflich ausgegangen.
Zwei Frauen hatten sich gleich um das Opfer gekümmert, die Polizei verständigt und den jungen Mann in die Klinik gefahren. Dort attestierte man neben etlichen Schrammen eine blutige Nase und eine Gesichtsprellung.
Ob der Schläger wirklich Einsicht hatte und den Vorgang bereute, war in der Verhandlung nur mit großem Wohlwollen zu unterstellen. Auch hier herrschte der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten". Der bejahte die Frage, ob er sich denn für den Gewaltakt zumindest entschuldigt hatte. "Das hat mir die Polizei geraten", ließ er durchblicken. Der Geschädigte sah dies anders. "Daran kann ich mich nicht erinnern".
Täter in schwieriger Situation In der Hauptschule hatte er sich unverstanden gefühlt, die 10. Klasse daher ohne Abschluss verlassen. Jetzt sei er an der Berufsschule, wohne aber noch bei der Mutter.
Er war ohne Vater aufgewachsen. Seine Mutter habe den Vorfall eingehend mit ihrem Sohn erörtert. Sie ließ dann auch durchblicken, dass dieser "Mist gemacht" hatte und dafür gerade stehen müsse. Geldzahlungen seien aber extrem schwierig zu leisten, da die Mutter vom Unterhalt an die Kinder lebe und ihr Sohn noch kein Einkommen habe.
Im Bundeszentralregister war er ein unbeschriebenes Blatt "Man muss aber Vorkehrungen treffen, dass sich so ein Fall nicht wiederholt", warnte der Staatsanwalt. Auf diese einigte man sich, was den Jugendlichen ohne ein Urteil aus dem Gericht entließ. 60 Stunden soziale Hilfsdienste und die verpflichtende Teilnahme an einem sechs Monate dauernden Anti-Aggressionskurs sollten dazu führen, dass er seine Emotionen in vergleichbaren Situationen besser im Zaum behält. "Und dann will ich Sie hier nicht mehr sehen", gab ihm der Richter mit auf den Weg.