Merz, Seehofer und das Ende der Koalition

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Gruppenbild mit Gästen bei der Kundenveranstaltung der Sparkasse Mainfranken in Wiesentheid (von links): Jens Rauch, Werner Knaier, Bernd Fröhlich, Günther Beckstein, Tamara Bischof, Bernd ...
Foto: Andreas Stöckinger
Die Gesprächsrunde bei der Kundenveranstaltung der Sparkasse Mainfranken in Wiesentheid (von links): Moderator Bernd Zehnter, Günther Beckstein und Christian Ude.
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Die erste Reihe bei der Gesprächsrunde der Kundenveranstaltung der Sparkasse Mainfranken in Wiesentheid lauschte der Einführung.
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In Wiesentheid analysieren mit Christian Ude und Günther Beckstein zwei Polit-Größen die aktuelle politische Lage – und wurden deutlich.

Mit dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein (CSU) und dem langjährigen Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hatte die Sparkasse Mainfranken zwei politische Größen und Kenner der aktuellen politischen Szene zu einem Abend eingeladen. Die beiden Spitzenpolitiker diskutierten mit Moderator Bernd Zehnter über die aktuelle politische Lage. Das Geldinstitut hatte anstelle ihrer bisherigen Unternehmer-Gespräche dieses Format gewählt, um Kunden und Besucher anzusprechen.

Ein Hauch von Markus Lanz

Der Abend wirkte ein wenig wie die vorgezogene Talkrunde von Markus Lanz im ZDF. Nicht in der Fernsehsendung sondern auf der Bühne der Steigerwaldhalle saßen die beiden bekannten einstigen Funktionsträger. Moderator Zehnter hatte die Lanz-Rolle übernommen, den Herren jeweils Steilvorlagen zu liefern, damit sie neben allgemeinen Analysen vielleicht auch mal aus dem Nähkästchen plaudern. Richtig locken ließen sich CSU-Mann Günther Beckstein und SPD-Größe Christian Ude ab und an schon.

Beckstein für Merz

So etwa bei der Frage, wen Günther Beckstein am liebsten als neuen CDU-Chef sehen würde, ließ er einen raus. Friedrich Merz würde er präferieren, dieser stünde etwas außerhalb und sei „nicht in dieser Polit-Blase in Berlin gefangen“. „Merz hat noch einen Funken Verstand, das würde den Verstand in Berlin verdoppeln“, so Beckstein.

Die Ude-Prognose

Am Ende, als der Moderator kurze Antworten wünschte, prognostizierte Christian Ude, dass Horst Seehofer nur noch bis Jahresende Innenminister sei. Günther Beckstein mochte sich da nicht festlegen. Er hatte jedoch seine Zweifel, ob die Große Koalition über 2019 hinaus bestehen werde, wegen der Sollbruchstelle im Koalitionsvertrag.

Launig und informativ

Es wurde ein launiger, informativer Abend, weil der einstige Bayerische Ministerpräsident und der langjährige Münchner Oberbürgermeister Persönlichkeiten sind, denen man zuhört. Und eben auch kritisch mit den Amtsträgern und Nachfolgern ins Gericht gingen.

Nicht gut kam bei beiden die Große Koalition weg. Deren Auseinandersetzungen der letzten Monate in den eigenen Reihen seien „dem Erscheinungsbild einer Regierung nicht förderlich“ gewesen seien, sagte Günther Beckstein. Christian Ude nannte es zum Thema Seehofer-Merkel „teilweise grotesk“ und „vollkommen daneben“, wenn man keine Lösung für Probleme habe, dann einen Konflikt mit der Kanzlerin auszutragen. Unter diesen Zwist hätten CSU und SPD gelitten.

Kritik am eigenen Lager

Beide sparten bei ihrem Lager, wie auch bei der Gegenseite nicht mit Kritik. So meinte Beckstein, dass es nicht bei jedem ankomme, wenn man von CSU-Seiten aus immer wieder betone, man sei die besten und die klügsten. „Die Leute wollen Selbstbewusstsein, aber nicht in dem Ton.“ Beim Wahlkampf habe man verpasst, die Frage, wie man Klimaschutz und Umweltschutz künftig mit der Wirtschaft verbinden könne. Das halte er künftig, so Beckstein, für ein zentrales Thema.

Themen abgegeben

Bei dem Punkt hakte Christian Ude ein, er verstehe nicht, warum sich CSU und SPD die Umweltpolitik aus der Hand nehmen ließen. Die SPD solle nur noch Gerechtigkeit verkünden, die Spitze wolle „nur noch Betriebsrat sein, nicht mehr die Geschäftsführung“, monierte er. Von Kardinalfehlern sprach er bei der GroKo, wie etwa dem „Diesel-Gewurschtel.“ Das alles koste beiden Seiten Wähler. Für Ude entfernt sich die SPD zu sehr von ihrer eigentlichen Ausrichtung. Die Leute nähmen ihr nicht mehr ab, dass sie sozial und gerecht sei.

Prüfstein der Toleranz

Als Moderator Zehnter das Thema AfD anschnitt, sagte Günther Beckstein zunächst, dass man generell unterschiedliche Meinungen richtig ausdiskutieren müsse, mit Argument und Gegenargument, davon lebe die Demokratie. Er brachte als Beispiel sein Verhältnis zur Grünen-Politikerin Claudia Roth. Beide seien befreundet, auch wenn ihn oft nerve, was sie sage. „Sie ist der Prüfstein meiner Toleranz.“

Fast alles falsch gemacht

Für Christian Ude habe man im Umgang mit der AfD nahezu alles falsch gemacht, indem man die Partei zunächst tabuisieren wollte. Man müsse sich mit unterschiedlichen Meinungen auseinander setzen, anstatt sie zu ignorieren. Die Migration werde Deutschland in den nächsten Jahren stark beschäftigen. Ein Thema, das man nur in Zusammenhang mit den anderen Staaten lösen könne, da waren sich beide Politiker einig.

Sorge um Unterfranken

Schließlich drückte Moderator Bernd Zehnter die Sorge aus, dass Unterfranken nun in Bayern bald nichts mehr zu sagen habe, nachdem Barbara Stamm nicht mehr im Landtag sei. Die großen Städte bekämen immer mehr, während das Land abgehängt werde, so Zehnter.

Das sei absurd und Populismus, konterte Christian Ude. Dagegen sah Günther Beckstein ein Problem in der Über-Attraktivität Münchens. Franken müsse sich selbstbewusster darstellen. Er habe die „Einwohner-Veredelung“, also dass Städte pro Kopf höher gefördert würden, nie verstanden. Darauf konterte Ude mit Beispielen, dass Städte eben mehr Anreize bräuchten, die allen nutze. „Wo ist in ihrer sehr schönen Gemeinde Wiesentheid die Philharmonie“, fragte er.

Fragerunde

Bei der anschließenden Fragerunde wurden Fragen aufgeworfen, etwa wer die drohende Pleite Italiens zahle. Oder welche Altersvorsorge bei den Niedrigzinsen am besten sei. Auch dazu gaben die Polit-Größen Tipps, ehe der offizielle Teil Veranstaltung endete. Mancher Besucher nutzte später die Gelegenheit, mit den hochrangigen Gästen privat zu sprechen.

Zufriedene Veranstalter

Die Oberen der Sparkasse Mainfranken durften zufrieden sein mit der Veranstaltung, die rund 300 Besucher anlockte. Eingangs hatten Vorstandsvorsitzender Bernd Fröhlich und der Gebietsdirektor für Kitzingen, Heiko Därr, in der Fragerunde mit Moderator Bernd Zehnter ihre Ansichten zu der aktuellen Lage vorgestellt. Die Sparkasse stehe auch dank ihres dichten Netzes für Stabilität. Als Vorzüge nannte Fröhlich Nähe, Vertrauen und Beziehung zur Region.