Zwischen Frust und Lust

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Kollegin Nina Grötsch will ihren aktuellen Tagesrekord brechen, was keine allzu große Herausforderung werden dürfte.
Foto: Henry Beer
Die allabendliche Runde mit Pflegehund Bobby ist Diana Fuchs ans Herz gewachsen.
Foto: David Fuchs
Beweis für unbewegte Tage...
Foto: NIna Grötsch

Brauchen Riesenunternehmen wirklich Staatsgelder? Neben Corona-Alltagsfragen wie fehlender Bewegung beschäftigt die Redaktionsmitglieder auch der Umgang mit Steuermitteln.

Kitzingen

Unser Leben mit Corona: Allwöchentlich schildern die Redaktionsmitglieder an dieser Stelle ihre Gedanken, Gefühle und Erlebnisse in dieser ungewöhnlichen Zeit. Diesen Samstag geht es unter anderem um lang vermisste Freiheit, zu wenig Bewegung und den Umgang mit Staatshilfen.

Diana fuchs:

Schon komisch, wie schnell man sich umgewöhnt. Klar: Ich vermisse meine „unverbesserlichen“ Volleyballfreunde und den Dienstagssport mit unserer coolen Trainerin Erika. Aber ansonsten hab' ich mich ratzfatz mit der neuen Situation arrangiert und freue mich mittlerweile schon auf die allabendliche Freizeit. Früher waren alle Abende der Woche durchgeplant mit eigenen Aktivitäten und Fahrdiensten für die Kinder. Dann kam Corona – und seitdem muss niemand mehr zum Fußballtraining, zur Musikschule oder zu Freunden gebracht und später wieder von dort abgeholt werden. Stattdessen kann ich nun allabendlich mit unserem lustigen Pflegehund Bobby durch Feld und Flur streifen – und das ohne ständig auf die Uhr schauen zu müssen, um keinen Hol- oder Bringdienst zu vertrödeln. Ehrlich: Ich genieße das fast ein bisschen.

Wird es wieder vorbei sein mit der schönen Freiheit, wenn Söder & Co. die Ausgangsbeschränkungen gänzlich zurücknehmen? Wird mein Leben wieder nach dem alten, strengen „Fahrplan“ verlaufen, ferngesteuert statt frei?

Nina Grötsch:

So sehr ich mein Handy auch liebe, es gibt Momente, da verwünsche ich es. Urplötzlich, wie aus dem Nichts, kommt sie jede Woche: die Meldung über die aktuelle Bildschirmzeit. In Zeiten von Corona, in denen ich meine sozialen Kontakte per Videotelefonie und endlosen Chats pflege, alles andere als eine kleine Zahl. Klein hingegen die nächste Zahl, die mir mein Handy entgegen spuckt: meine Durchschnittskilometer der letzten vier Wochen. Ich traue es mich kaum schreiben, aber tatsächlich stand da zuletzt 1,2 km/Tag! Erschreckend! Aber was soll auch anders da stehen? Tatsächlich bewege ich mich seit Ausgangsbeschränkung und Home-Office kaum aus den eigenen vier Wänden. Der Garten und ein kurzer Spaziergang sind das Höchste der Gefühle.

Doch jetzt bin ich wachgerüttelt! Seit Mittwoch dürfen meine Kinder wieder zur Omi – und ich hab seit Wochen endlich mal Zeit für mich. Parallel dazu flatterte eine Email in mein Postfach, mit Infos zu einer Gesundheitskarte, deren Zweck sogar mein Arbeitgeber honoriert. Für jeden Lauf über drei Kilometer bekomme ich 4 Euro gutgeschrieben. Überredet. Ich schnüre gleich meine Turnschuhe... meinem Handy werd' ich?s zeigen.

Daniela Röllinger:

Nach sechs Wochen Home-Office stand für mich ab Montag eine Vollzeit-Woche in der Redaktion an. Endlich wieder unter Leute! Die Vorfreude war groß. Doch ich musste feststellen, dass auch das Arbeiten in den Redaktionsräumen anders ist als sonst. Auch hier sind nur wenige Leute um mich rum. Auch hier läuft vieles übers Telefon. Zumindest gibt es wieder ein ein paar Termine. Die konstituierenden Sitzungen der Stadt- und Gemeinderäte zum Beispiel. Die Fotos zeigen mehrere Menschen in gebührendem Abstand. „Rückt ma weng zam“, hätten wir beim Fotografieren sonst gesagt. Jetzt heißt es eher: „Bitte noch ein bisschen auseinander!“ Schon komisch.

Auseinander gehen auch die Meinungen über eingeschränkte Freiheiten durch Corona, über Verantwortung, über Forderungen aus der Wirtschaft. Über so manches könnte ich mich da wirklich aufregen. Braucht ein Riesenunternehmen tatsächlich Geld vom Staat – und damit letztendlich von uns Steuerzahlern –, wenn es jahrelang fette Gehälter ans Spitzenpersonal zahlen konnte? Warum sollen die plötzlich keine Miete mehr zahlen, wo es der kleine Mann doch auch tun muss, selbst wenn er in Kurzarbeit ist? Kann ja wohl nicht sein. Da könnte ich mich richtig reinsteigern! Im Kopf habe ich eine Liste von Unternehmen, bei denen ich nichts mehr kaufen möchte. Ob ich konsequent bleibe? Das ist, wie bei ganz vielem, was wir jetzt, in Corona-Zeiten tun, die Frage.

Julia Volkamer:

Die Freude über die Lockerungen ist bei uns natürlich riesig. Endlich dürfen die Kinder wieder offiziell zu Oma und Opa – zur „Beaufsichtigung Minderjähriger in einer familiären (...) Betreuungsgemeinschaft“. Jippiiiieh! Außerdem darf mein Vorschüler in zwei Wochen endlich wieder in die Vorschule und seine Kräfte mit den Gleichaltrigen messen, statt seine jüngeren Geschwister zu malträtieren. Jeiiii! Überhaupt eröffnet die Umwandlung der Ausgangs- zur Kontaktbeschränkung wieder ganz neue Möglichkeiten: Bald kann man sich wieder auf ein Radler im Biergarten treffen. Jippiehjaijei!

Der Öffnung der Gasthäuser sehe ich allerdings mit gemischten Gefühlen entgegen. Schließlich hatte sich mein seit Fasching alkoholfastender Mann nach Ende der Fastenzeit und dem Beginn des Lockdowns das neue Ziel gesetzt, erst wieder ein Bier öffnen zu wollen, wenn das erste Gasthaus öffnet. Der Startschuss für die Gastronomie ist für ihn – erst recht nach der langen Enthaltsamkeit – quasi gleichbedeutend mit dem ersten Abschuss.

Eigentlich gönne ich es ihm. Wirklich. Er hat es sich verdient. Er ist einer meiner Helden des Corona-Alltags. In seinem Betrieb dreht sich seine Arbeit fast nur noch um das Thema Corona. Er verlässt im Morgengrauen das Haus, damit nach Feierabend noch genügend Zeit für Wocheneinkauf, Gartenarbeit und persönliches Fußballtraining mit einem Sechsjährigen bleibt. Nebenbei trifft er sich noch mit einem Sportverrückten zum Extrem-Jogging oder hackt hunderte Löcher in die Erde, damit neuer Wein wachsen kann. Obwohl er selbst keinen einzigen Tropfen trinkt. Na dann Prost.

Ja, er hat es sich verdient. Auch wenn der nächste Tag für uns als Familie ein verlorener Tag sein wird. Aber gut. Die Kinder können ja zu Oma und Opa. Und ich auf ein Radler in den Biergarten. Ich muss halt nur aufpassen, dass der nächste Tag dann nicht auch noch verloren geht

RALF DIETER:

Der Gute hat Uraub – und den gönnen wir Kolleginnen ihm von Herzen.