Zum Wohle eines bedrohten Franken
Autor: Robert Wagner
Willanzheim, Freitag, 16. Oktober 2015
Er ist gut 17 Zentimeter groß, wiegt um die 25 Gramm – und ist ein echter Franke. Nicht nur, dass eines seiner letzten Brutgebiete in Deutschland im Landkreis Kitzingen liegt – er spricht hier auch noch fließend fränkisch.
Die Rede ist vom Ortolan. Vogelexperten können am Gesang erkennen, aus welcher Region er stammt. Die Vögel selbst hätten zunächst Probleme, einen „Zugereisten“ überhaupt zu verstehen. Dies hätten Experimente gezeigt, erklärt Robert Endres vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV). Allerdings kommt diese Situation in der Natur eigentlich nicht vor: Die Vögel sind sehr heimatverbunden und kommen zur Balz und Brut immer wieder an den gleichen Ort zurück.
Der Ortolan gilt europaweit als bedrohte Vogelart. Und das nicht nur, weil er in Frankreich als Delikatesse gilt. Vielmehr macht dem kleinen Bodenbrüter die moderne Landwirtschaft zu schaffen. Streuobstäcker mit alten Bäumen, lichte und schüttere Grasflächen – so sieht der ideale Lebensraum des Ortolans aus, erklärt Endres. Und so sah auch viele Jahre lang die Landschaft im Wein- und Gärtnerlandkreis Kitzingen aus.
Doch mit den kleinen landwirtschaftlichen Betrieben ist auch der Lebensraum des Ortolans und anderer Vogelarten immer weiter zurückgedrängt worden. Obstbäume wurden gefällt, große Äcker angelegt. Außerdem ist der Bewuchs auf den gedüngten Feldern zu eng für die Nahrungssuche geworden. Martin Lauterbach von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) vergleicht die Situation mit denen von Menschen, die sich auf dem Weg zum Esstisch zwischen eng stehenden Bambusrohren hindurchzwängen müssen.
Lauterbach informierte im Willanzheimer Sportheim über das Natura 2000-Gebiet „Südliches Steigerwaldvorland“. Natura 2000 – so heißt das europäische Projekt zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume. Knapp 18 Prozent der Landfläche in der EU sind Teil des Projektes. Dazu gehört auch ein etwa 5470 Hektar großes Gebiet im Landkreis Kitzingen, das vor allem zwischen Schwarzach, Albertshofen und Großlangheim sowie südlich von Mainbernheim liegt. Neben dem Ortolan sollen hier auch Halsbandschnäpper, Rotmilan, Bekassine und andere selten gewordene Vogelarten ein Rückzugsgebiet erhalten.
Die Regierung von Unterfranken will die betroffenen Bauern und Gemeinden frühzeitig über das Naturschutzprojekt informieren – und für Verständnis werben. In den nächsten zwei Jahren soll ein „Managementplan“ erstellt werden, der überprüft, wo welche bedrohten Vogelarten leben und wie sie am besten geschützt werden können.
Lauterbachs Formulierung „Erhalt und Wiederherstellung der natürlichen Lebensräume“ führte indes bei einigen Bauern zu Bauchschmerzen. Rudolf Bender vom Bayerischen Bauernverband fürchtet, dass den Grundstückseigentümern ohne Rücksprache Regeln vorgesetzt werden und forderte deshalb eine aktive Beteiligung der Bauern am Projekt.
Robert Endres vom LBV hingegen fürchtet, dass die geplanten Maßnahmen nicht weit genug gehen, um die bedrohten Arten zu schützen. Vor allem die kurze Laufzeit bisheriger Projekte stößt ihm dabei sauer auf. „Bis sich eine Population erholen kann, vergehen mindestens 20 Jahre“, sagt der Vogelschützer.