Wohl bekommt's

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Patricia Görz und Yasmin Dillamar laden zum Frühstückscafe in die Beratungsräume des BRK in Kitzingen ein.
Foto: Ralf Dieter

"Hier kann man einfach mal Mensch sein." Dieter Schmitt schaut über den reich gedeckten Tisch. Die anderen Teilnehmer nicken zustimmend. Seit Mai dieses Jahres bietet das Bayerische Rote Kreuz jeden Montagvormittag ein gemeinsames Frühstück für Menschen mit psychischen Problemen an. Die Stühle am Tisch sind gut besetzt.

Ihren echten Namen wollen die Frühstücksteilnehmer nicht preis geben. Ihre Motivation schon. Da ist der Mann – nennen wir ihn Helmut Braun – dem nach etlichen Schicksalsschlägen fast alle Ansprechpartner im direkten Umfeld abhanden gekommen sind. Manche sind verstorben, andere haben den Kontakt abgebrochen. „Hier kann ich wieder mit anderen Leuten ins Gespräch kommen“, sagt er. „Hier kann ich wieder ganz normal mit jemandem reden.“

Keine Therapiegruppe

Ungezwungen, offen, anonym: So beschreiben die Teilnehmer die Atmosphäre beim wöchentlichen Frühstückstreff. Schmitt ist seit Juli so etwas wie ein Stammgast. Wenn es sein Job zulässt, kommt er regelmäßig in die Beratungsstelle am Königsplatz 5 (Eingang Schweizergasse). „Das Treffen ist loyal“, sagt er. Was er meint: „Nichts von dem, was wir hier bereden, dringt nach außen.“ Die erfreuliche Konsequenz dieser Regelung, die für alle Gäste gilt: Die Hemmschwelle sinkt, man redet offener miteinander.

Die Themen sind dabei ganz gemischt und keinesfalls vorgegeben. „Das ist keine Therapiegruppe“, betont Sozialpädagogin Annette Grüttner. Es geht an diesen Montagvormittagen nicht darum, in die Tiefe zu gehen, psychische Probleme zu analysieren oder gar zu lösen. Die Intention ist eine andere: Menschen, die auf der Suche nach sozialen Kontakten sind, sollen in einer ungezwungenen Umgebung fündig werden.

Das Treffen ist deshalb nicht nur für Menschen mit psychischer Erkrankung gedacht. „Jeder Mensch in einer schwierigen Lebensphase ist willkommen“, erklärt Psychologin Patricia Görz, die zusammen mit der Ehrenamtlichen Yasmin Dillamar die Gruppe leitet. Wobei: Leitet ist das falsche Wort. Jeder Teilnehmer ist gleichberechtigt, keiner übernimmt die Gesprächsführung. „Wir wollen einfach, dass die Menschen wieder miteinander ins Gespräch kommen“, erläutert Görz. „Ohne sich verstellen zu müssen, ohne irgendwelche Vorgaben erfüllen zu müssen.“ Görz und Dillamar nehmen sich im Lauf des Gespräches immer weiter zurück.

Die Idee für das Frühstückscafé stammt aus Würzburg. Dort gibt es das Angebot schon seit mehreren Jahrzehnten. Dass der Bedarf auch im Raum Kitzingen vorhanden ist, hat Grüttner und Görz nicht überrascht. „Unsere Beratungsstelle ist sehr gut ausgelastet“, sagt Görz. „Es gibt viele Menschen, die soziale Kontakte suchen.“

Harald Fokler ist so ein Mensch. Auch er ist so etwas wie ein Stammgast im Frühstückscafé geworden. „Ich kann hier auch über persönliche Dinge reden“, sagt er. „Das ist für mich nicht so selbstverständlich.“ Fokler kommt aus einem kleinen Dorf im Landkreis, lebt seit mehr als 20 Jahren in der Stadt. In all der Zeit hat er eine psychische Betreuung erhalten. Betreutes Wohnen, Tageszentrum, Wohngemeinschaften: Fokler kennt einige Einrichtungen für verunsicherte Menschen. Das Frühstückscafé tut ihm ganz besonders gut. „Es ist zwanglos“, erklärt er. „Ich muss mich nicht anmelden und ich muss nicht absagen. Und wenn ich später komme, muss ich mich nicht schlecht fühlen.“

Offen und zugewandt

Heidi Groß kommt an diesem Montagvormittag als Letzte in die Runde. Brötchen, Marmelade, Obst und Kaffee sind noch reichlich vorhanden. Zum vierten Mal ist die Frau aus dem Landkreis Kitzingen dabei. „Ich bin hier, um Menschen kennenzulernen“, erklärt sie. Manche Gesichter am Tisch kennt sie von den letzten Vormittagen, manche sind ihr neu. Die Besetzung wechselt immer wieder. Mit ihr wechseln die Themen.

Harald Fokler erzählt von seiner neuesten Herausforderung: Seit fünf Wochen ist er Nichtraucher. „Gar nicht so leicht, aber ich bin auf einem guten Weg“, sagt er und die anderen Frühstücksteilnehmer nicken verständnisvoll. Helmut Braun berichtet von einem seiner Hobbys, der Fotografie. Er hat auch schon ein paar Bilder mitgebracht, die dann in der Runde herumgereicht und besprochen wurden. „Hier ist jeder offen und zugewandt“, freut er sich. „Draußen“, in der Welt außerhalb des Frühstückscafés, sei es gar nicht so einfach, solche Gesprächspartner zu finden. „Da schaut doch nur jeder auf sein Handy“, sagt er und zuckt die Schultern. „Hier ist das anders“, bestätigt Dieter Schmitt und beschmiert sich sein Brötchen mit Nutella. „Gleichgesinnte sind herzlich willkommen.“

Harald Fokler hat in seiner Wohngemeinschaft und seinem privaten Umfeld schon reichlich Werbung für das Frühstückscafé gemacht, Flyer verteilt und von der angenehmen Atmosphäre erzählt. Die Resonanz war bislang jedoch zurückhaltend. „Viele haben einfach zu große Ängste“, bedauert er.

Psychologin Patricia Görz kann das verstehen. „Viele Menschen müssen erst wieder lernen, soziale Kontakte aufzubauen.“ Das Frühstückscafé bietet dafür eine hervorragende Gelegenheit.

Wann und Wo: Jeden Montag von 9.30 bis 11.30 Uhr in der Beratungsstelle des BRK, Königsplatz 5, (Eingang Schweizergasse).

Kosten: drei Euro.

Weitere Informationen: In der Beratungsstelle unter der Tel.-Nr.: 09321/22710 oder per E-Mail: patricia.goerz@brk-wuerzburg.de.

Anmeldung: Wer möchte, darf sich gerne vorher anmelden. Eine spontane Teilnahme ist jederzeit auch möglich.

Ehrenamtliche gesucht

Der Sozialpsychiatrische Dienst des Bayerischen Roten Kreuzes sucht ehrenamtliche Mitarbeiter. Sie erhalten für ihre Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung. Die Einsatzbereiche umfassen das Frühstückscafe und die Einzelbetreuung. Im Wohnbereich die Freizeitgestaltung.

Zur Vorbereitung auf die Tätigkeit, findet ein Einführungskurs durch hauptamtliche Mitarbeiter statt. Voraussichtliche Termine: 27. und 28. Januar sowie 17. und 18. Februar.

Anmeldung unter Tel. 09321/22710.