Druckartikel: Wissen, wo der Wirsing wächst

Wissen, wo der Wirsing wächst


Autor: Julian Megerle

Bamberg, Mittwoch, 31. Oktober 2018

Buntes Treiben bei der Wirsingernte in Bamberg. Die Minigärtner waren wieder mal voll im Einsatz.


Die Sonne lugt durch die Wolkendecke und schenkt noch ein bisschen Wärme. Ein guter Nachmittag, um sich nach Monaten des Wartens an die Ernte zu machen. Tino Hedrich zieht einen Wagen voller leerer Kisten und fröhlicher Kinder an Bord zum Feld. Hedrich ist Gartenbauingenieur. Auf dem Versuchsfeld der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Bamberg haben unterschiedliche Wirsingsorten ihre Blätter zum Himmel gestreckt. Sie sind gerade reif genug für die Minigärtner-Gruppe um Margot Burger.

Die LWG-Mitarbeiterin hat das Projekt im September vergangenen Jahres angestoßen und mit den 18 Kindern aus dem Landkreis Kitzingen schon einiges erlebt in Sachen Gartenbau. Besuche bei Obstbauern, Gemeindegärtnern oder Adventsfloristen waren schon dabei. Und auch ein Abstecher auf die Landesgartenschau in Würzburg durfte nicht fehlen. „Wir haben im Juni die Wirsingsorten gepflanzt und können nun endlich ernten“, erklärt Burger. Damit sei die LWG an der Bamberger Galgenfuhr die erste Station, bei welcher die Kinder bei Aussaat und Ernte dabei sind. Und das nur mit ökologischen Methoden.

Bevor die Gartenmesser gezückt werden, muss erst mal eine Frage geklärt sein: „Wie erkennt man eigentlich einen schönen Wirsing?“, fragt Hedrich in die Runde der Nachwuchsgärtner, einen stattlichen Wirsingkopf in den Händen. „An der Farbe!“ meint ein Mädchen. „Genau, denn faulen dürfen die Köpfe nicht, wenn sie auf dem Markt landen.“ „Und groß und schwer müssen sie sein!“, ergänzt ein Junge. Ein wichtiges Merkmal für einen ordentlichen Wirsing. Kleine weiße Fliegen schwirren umher, als Hedrich einen anderen Kopf hochhebt und fragt: „Was fällt euch an diesem hier auf?“ „Da sind ja Blattläuse dran!“, meint ein anderes Mädchen. Also auch ein Fall für den Kompost.

Nach der kurzen Einweisung im Gewächshaus dürfen die Kinder endlich an der frischen Luft der blättrigen Pflanze ans Leder rücken. Jedes Kind hatte im Juni eine Parzelle gepflanzt. Aber Gartenspezialist Hedrich und seine Kollegin Anna Schnörer haben bereits zwei Drittel der reifen Pflanzen vom Feld geholt, sodass sich drei Kinder um einen Flecken Acker kümmern. Alina, Kathy und Belana machen sich zusammen ans Werk. Die drei zehnjährigen Mädchen aus Geiselwind waren zu Beginn der Minigärtnergruppe gemeinsam in der vierten Klasse. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Wirsinge mal so groß werden können“, meint Kathy stolz. Nach ein bisschen Rupfen und Säubern landen ganz ordentliche Exemplare in den großen grauen Kisten.

Neben dran rücken Lukas, Hendrik und Martin dem Gemüse auf die Pelle. Die Jungs zwischen acht und elf Jahren stammen aus Geiselwind und Iphofen und haben viel Spaß: „Den Wirsing kann man richtig einfach abschneiden“, freut sich Lukas. Nachdem der letzte Wirsing von seinem Strunk befreit wurde, geht es zurück mit dem voll beladenen „Garten-Taxi“ in das Gewächshaus.

Jetzt muss sortiert und etikettiert werden: Welche Sorten sind in welchem Behälter? Und wieviel Ernte konnten die Kinder einholen? Schnell werden Teams gebildet: Die einen zählen die Köpfe, während die anderen die schönen wie die fauligen Wirsingköpfe wiegen. An modernen Laptops rechnen wieder andere Minigärtner das alles zusammen.

Die Sorten hören auf exotische Namen wie Wirosa, Smaragd, Langediskja, Vertus, Barbosa und Violaeco di Verona. Welcher Aufwand dahinter steckt, bis aus den Samen zarte Pflänzchen und später prächtiger Kohl wird, können die Kinder nur erahnen. Besonders in diesem Jahr war die Arbeit enorm. „In diesem heißen Sommer mussten wir zwei bis drei Mal die Woche bewässern“, erklärt Schnörer. Dazu käme noch das Nachdüngen mit Bio-Kompost und den Hornspänen von Kühen. Also alles nachhaltige Methoden, die aber ihre Zeit brauchen.

Nach gut drei Monaten und zwei Wochen steht das Gemüse knackig frisch auf dem Feld. Nach dem die kleinen Gärtner fertig gerechnet haben, gibt?s ein Sieger-Gewächs: Gut 20 Kilogramm hat die Sorte Langediskja abgeworfen. „Normalerweise würden wir auch noch den Wirsing kochen, um zu testen, welche Sorte am besten schmeckt“, erklärt Hedrich. Ein leckeres Essen haben sich die fleißigen Nachwuchsgärtner trotzdem verdient. Bei Kürbissuppe und Brot warten sie auf den Höhepunkt des Nachmittags: Die Preisverleihung für den größten Kürbis!

Die Mamas und Papas, die zum Essen dazugekommen sind, hatten von Margot Burger Samen geschenkt bekommen, um sie in Garten oder Beet auszusäen. Den größten Kürbis kann die zehnjährige Johanna aus Greuth bei Castell präsentieren: 52 Kilogramm bringt der Koloss auf die Waage und passt mit seinen zwei Meter Umfang geradeso in eine Schubkarre. Die Eltern Petra und Frank de Mey haben zusammen mit ihr für den Kürbis auch alles Erdenkliche getan: „Alle zwei Wochen haben wir mit Kompost gedüngt, fast jeden Tag gegossen und immer wieder eine Milch-Wasserlösung aufgebracht gegen den Mehltau“, erklärt Petra de Mey.

Eins ist klar: Die de Meys würden die Idee der Minigärtner-Gruppe auf jeden Fall wieder unterstützen. Und auch Irene Götz aus Geiselwind, deren Kinder Lukas, Luisa und Valerie mit von der Partie sind, ist begeistert: „Jetzt haben die drei Lust bekommen, noch andere Sachen im Garten meiner Mutter anzubauen!“.

Für die Kürbisse gab es übrigens Eintrittskarten in den Freizeitpark in Geiselwind, Verzehrgutscheine, und - wer hätte es gedacht - Pflanzensetzlinge für Zuhause sowie viele Kleinigkeiten. Ein stimmiges Konzept, das das Interesse der Kinder für die Gartenwelt wecken soll: „Ich bin froh, wenn das Gespür dafür entsteht, wieviel Arbeit hinter den Lebensmitteln steht“, meint Initiatorin Burger.

Wenn nächstes Jahr im Juli das Projekt nach 20 Stationen zu Ende sein wird, ist aber noch nicht Schluss: Die Kinder haben die Eltern „angesteckt“ und die wollen auch ihr Gärtnerprojekt mit Margot Burger aufziehen – um zu sehen, wie mit viel Liebe und dem richtigen Wissen gesundes Essen wächst.