Männer aus dem Notwohngebiet in Kitzingen erzählen von ihrem Leben.
Matthias Nuß ist kein Notwohner mehr – schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Aber er kommt regelmäßig zu Besuch in die „Egerländer“ in Kitzingen. Er sagt: „Dort ist seit Jahrzehnten nicht viel gemacht worden, die Wohnungen verfallen immer mehr. Das ist doch kein Zustand.“
„Hätte ich meine Frau nicht getroffen, wäre mein Leben anders verlaufen“, weiß Matthias Nuß. Der heute 44-Jährige war noch ein junger Kerl, als er Diana Nuß begegnete. Er verliebte sich in die junge Frau aus Volkach – und sie sich in ihn. Die beiden heirateten und Matthias nahm den Nachnamen seiner Frau an. „Weil man mit meinem Namen überall das Notwohngebiet verband.“ Matthias wollte das „Stigma“ ablegen. Heute wohnt das Paar in Abtswind, kommt aber regelmäßig zu Verwandtenbesuchen zurück ins Kitzinger Notwohngebiet.
Ein Teufelskreis
Aber ist es wirklich so schlimm? Werden wirklich alle Menschen aus dem Notwohngebiet mit dem imaginären Stempel „unerwünscht“ versehen? Nach Matthias‘ Erfahrung ist das tatsächlich so. „Wenn deine Adresse Egerländer 22, 24 oder 26 beziehungsweise Tannenberg 37 lautet, dann geht in und um Kitzingen nichts. Da kriegst du keinen normalen Job.“ Und ohne Job, also ohne Geld, komme man nicht raus aus dem Notwohngebiet. Ein Teufelskreis.
Das kann Ralf Scheller nur bestätigen. „Um hier wegzukommen, braucht man mal so 3000 Euro flüssig – von der Kaution für eine neue Wohnung bis hin zu Klamotten für den Start. Wenn du das Geld nicht hast, bleibste eben da.“ Ralf Scheller hat das schon mehrmals am eigenen Leib erlebt. „Zum ersten Mal bin ich mit 17 ins Notwohngebiet gekommen. Zusammen mit meiner Mutter, die ihren Job verloren hatte und in die Sozialhilfe gerutscht war. Daraufhin konnte sie die Wohnung nicht mehr halten und wir landeten im Notwohngebiet.“ Drei Jahre blieb Ralf mit seiner Mutter dort wohnen, dann – nach seiner Metzgerlehre – ging er zur Bundeswehr, wo er eine Ausbildung zum Koch machte, allerdings nicht mit einem Zertifikat abschloss.
Nach vier Jahren beim „Bund“ heuerte Ralf Scheller auf einem Schiff an, wo die Kombüse sein Metier war. „Ich wollte halt Geld verdienen – und da gab es mehr Geld als in der Metzgerei.“ Der heute 43-Jährige arbeitete auch als Bauhelfer und für ein Jahr sogar als Kneipier, als Mitbetreiber des ehemaligen „Fässle“ am Kreisverkehr Richtung Mainstockheim. Das Dasein als Gastwirt war jedoch nicht von finanziellem Erfolg gekrönt – im Gegenteil –, weshalb Ralf Scheller wieder auf Gelegenheitsjobs auswich.
Irgendwann wurde er wegen Bedrohung verurteilt, landete im Knast. Wieder auf freiem Fuß, war es unmöglich, auf dem freien Markt eine Wohnung zu bekommen. „Mit dem Stempel 'Knast‘ bleiben dir nur die Notwohnblocks.“