Druckartikel: „Wenn nicht jetzt, wann dann?"

„Wenn nicht jetzt, wann dann?"


Autor: Diana Fuchs

Wiesentheid, Dienstag, 25. Oktober 2016

Wiesentheid Jeden Nachmittag treffen sie sich bei einem frisch gebrühten Kaffee. Manfred Eisenmann und seine Hildegard, genannt Hilla, halten diese Tradition seit vielen Jahren hoch.
Hilla Eisenmann hat auch das Cover ihres Buches selbst gemalt.


Obwohl sie beide in Rente sind, geht doch jeder seinem eigenen Tagwerk nach – gegen 15 Uhr aber kommen sie im Wohnzimmer zusammen, setzen sich nebeneinander auf die Couch und erzählen von den Ereignissen des Tages. Eines Tages bat Hilla ihren Mann, ihr einfach mal zuzuhören. Sie las ihm ein Märchen vor, das sie selbst geschrieben hatte. Manfred lauschte gebannt. Danach sagte er nachdenklich: „Des g'höret gedruckt.“ Es war der Start für das Märchenbuch „Zauberhafter Märchengarten“, das vor wenigen Tagen erschienen ist.

Frage: Wenn jemand mit 78 Jahren sein erstes Buch veröffentlicht, ist das schon ungewöhnlich. Wie kam das? Hilla Eisenmann:

Wissen Sie, wir haben vier Kinder und acht Enkel. Ihnen allen habe ich immer gern vorgelesen. Oder ihnen noch lieber frei erfundene Geschichten erzählt, in die ich manchmal Begebenheiten von früher eingeflochten habe. Oft haben auch Blumen eine Rolle gespielt.

Blumen? Welche denn?

Eisenmann: Gänseblümchen, Schlüsselblumen, Rittersporn, Vergissmeinnicht, Stiefmütterchen – ganz alltägliche Blumen, die man aber trotzdem leicht übersieht. Als Kind habe ich einmal ein Märchen über die blaue Wegwarte gelesen. Das hat mich so stark beeindruckt, dass ich nie, wirklich niemals, an einer Wegwarte vorbeigehe, ohne an dieses Märchen – und damit auch an meine Kindheit – zu denken. Sollte das auch nur einem Kind mit meinen Märchen so gehen, wäre das das Schönste, was mir passieren kann.

Sie haben also früher gern vorgelesen und erzählt. Aber wann haben Sie angefangen, selbst Märchen zu erfinden und aufzuschreiben?

Eisenmann: Als unsere Enkel in dem Alter waren, in dem sie Geschichten hören wollten. Jedes Jahr habe ich unseren großen Enkelkindern etwas gemalt und eine Geschichte dazu geschrieben. Vor ein paar Jahren habe ich dann angefangen, ganze Märchen zu erfinden und dazu passende Bilder zu malen.

Sie malen also auch gerne?

Eisenmann: Ja, das hat sich so ergeben. Ich wollte die jeweilige Blume malen, die jede Erzählung einrahmt, außerdem einige Szenenbilder.

Haben Sie dafür reelle Motive gewählt?

Eisenmann: Ja, zum Beispiel habe ich den früheren Wiesentheider Schlosshof, den Marienplatz und das Rathaus verewigt, außerdem historische Szenen aus Prichsenstadt und Rüdenhausen.

Haben Sie damals schon daran gedacht, ihre Gedanken und Bilder als Buch herauszugeben?

Eisenmann: Nein. Das kam erst durch meinen Mann und meine Kinder, die mir Mut gemacht und gesagt haben: Veröffentliche das doch! Außerdem wurde ich damals richtig schwer krank und während der anschließenden Kur meinte meine Ärztin nach dem Studium meiner Krankenakte: „Der liebe Gott muss noch etwas vorhaben mit Ihnen, sonst wären Sie nicht mehr da.“ Daraufhin bin ich mutig geworden.

Mutig geworden?

Eisenmann: Ja! Früher hätte ich mir niemals etwas Besonderes zugetraut. Als einfaches Wiesentheider Mädchen, das Schneiderin gelernt hat, ein Buch zu schreiben – da wäre ich gar nicht drauf gekommen. Der Zuspruch von allen Seiten hat nun im Rentenalter sein Übriges getan. Wenn nicht jetzt, wann dann?

War es denn einfach, einen Verlag zu finden, der das Buch herausgibt?

Eisenmann: Nein, einfach ist das nicht, wenn man noch nie etwas veröffentlicht hat. Ich habe mehrere Verlage angeschrieben. Die meisten wollten richtig viel Geld von mir, so dass ich zwischendurch auch einmal sehr frustriert war und eine Zeit lang nichts mehr geschrieben habe. Mit dem Paramon-Verlag habe ich dann aber einen Vertrag gemacht, mit dem ich bis auf Kleinigkeiten – etwa, dass das Buch niemand Korrektur gelesen hat – leben kann. Das Buch ist fünf Jahre lang immer auf Lager.

Ihr „Zauberhafter Märchengarten“ besteht aus 25 Märchen und Erzählungen, in denen die Natur eine große Rolle spielt, aber auch alte Bräuche und Gewohnheiten. Was wollen Sie mit Ihrem Buch erreichen?

Eisenmann: Ich möchte, dass Jung und Alt miteinander ins Gespräch kommen. Wenn die Großeltern ihnen erzählen oder vorlesen, erfahren die Enkel, was ein Leiterwagen ist, wie man früher Eier gefärbt hat, wie ein Kartoffelfeuer duftet und wie die Kinder früher während der Erntezeit in die Streu reingesprungen sind, wenn die Dreschmaschine auf dem Gutshof ihre Arbeit verrichtet hat. Vor allem aber geht es in jedem Märchen und in jeder Erzählung um menschliche Werte und Lebensweisheiten . . .

. . . die sie geschickt und unauffällig in spannende Erzählungen verpackt haben.

Eisenmann: Ja, ich wollte auf keinen Fall den Zeigefinger erheben. Kinder und Erwachsene, die sich ihr Kinderherz bewahrt haben, sollen das Buch einfach gerne lesen.

Die einzelnen Episoden tragen Namen wie „Bambi und das Bluttröpfchen“, „Der Schimmel und der Rittersporn“ oder „Der Riese Balduin und der Fingerhut“. Haben Sie alle Figuren und Handlungen frei erfunden?

Eisenmann: Die allermeisten schon. Ich habe in das ganze Buch nur drei wahre Begebenheiten eingeflochten: eine Geschichte über meine Schwester Inge, über die Hündin Celia meines Sohnes und ein Erlebnis, das ich selbst als Kind hatte. Damals hatte ich einen ganzen Stollen Brot geschenkt bekommen. Das war ein riesiger Schatz! Erst habe ich den sorgsam daheim im Schrank versteckt. Aber am Schluss hat dann doch die ganze Familie etwas abbekommen – wie in „Die Hexe und die Wiesenblumen“.

Hilla Eisenmanns „Zauberhafter Märchen- garten“, Hardcover, ist in vielen Buchhandlungen und online bei Amazon erhältlich, ISBN 978-3-03830-244-5, 14,80 Euro