Kitzingen wird alt
Autor: Robert Wagner
Kitzingen, Freitag, 04. November 2016
Die Bevölkerungspyramide, die Auskunft über die Altersstruktur gibt, ähnelt schon lange nicht mehr den antiken Weltwundern in Gizeh. Die Gesellschaft altert, auch in Kitzingen. Ein Kommentar.
Die Bevölkerungspyramide, die Auskunft über die Altersstruktur gibt, ähnelt schon lange nicht mehr den antiken Weltwundern in Gizeh, sondern eher einem Tannenbaum. Keinem besonders gesunden: Der Stamm wird immer dünner und länger. Bis irgendwann auch das Bild vom Tannenbaum falsch ist – und man vielleicht vom Bevölkerungspilz spricht.
Doch was heißt das eigentlich? Die Menschen werden immer älter, das Durchschnittsalter steigt. Im Moment leben im Landkreis Kitzingen knapp 89 000 Einwohner. Sie sind im Schnitt 44 Jahre alt. Das statistische Landesamt geht für das Jahr 2030 von einer ähnlich hohen Bevölkerungszahl (86 660) aus. Die gute Nachricht: Probleme durch eine stark zurück gehende Einwohnerzahl, wie sie vielen Landkreisen in den neuen Bundesländern drohen, scheinen in Kitzingen weniger ausgeprägt zu sein. Dafür steigt das Durchschnittsalter auf über 48 Jahre.
Das mag für den Laien verkraftbar klingen – hat aber erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft. Renten- und Gesundheitskosten steigen. Der Bedarf an Infrastruktur verändert sich, beispielsweise bei der Pflege. Im Landkreis gab es vergangenes Jahr in 13 Einrichtungen knapp 1100 Plätze für ältere Menschen. Der Bedarf steigt jedoch stark, über alternative Pflegeformen muss und wird nachgedacht.
Auch die Lebensplanung der jüngeren Menschen befindet sich im Wandel. Jede Frau bringt in ihrem Leben statistisch gesehen 1,43 Kinder auf die Welt. Im Landkreis Kitzingen ist die Mutter bei Geburt ihres Kindes bereits 31 Jahre alt.
Kommentar
Das alte Lied vom Altern - Der Demografischer Wandel ist oft ein Totschlagargument. Dabei schreit er nach Diskussionen.
Von unserem Redaktionsmitglied
Robert Wagner
Ich kann und will es eigentlich nicht mehr höhren. Der demografische Wandel, die Gesellschaft altert, die Renten sind bedroht. Das mag zum einen daran liegen, dass ich mich recht ungern mit dem Altern beschäftige. Das liegt aber auch daran, dass das Thema seit Jahren immer und immer wieder aufgegriffen wird, wenn unangenehme politische Entscheidungen getroffen werden.
Und genau hier liegt das Problem: Der demografische Wandel wird viel zu oft als Totschlagargument benutzt. Vor allem, wenn es eigentlich um reine Interessenpolitik geht. Bestes Beispiel dafür ist die private Altersvorsorge: Dass die Menschen immer älter werden, ist Fakt. Dass deswegen die private Altersvorsorge politisch gefördert wird, ist eine Entscheidung, zu der es Alternativen gibt. Vermögenswerte oder umweltschädliche Industrien könnten stärker besteuert werden und die Mehreinnahmen der Rentenversicherung zugutekommen.
Statt von Sachzwängen zu reden, sollte eine offene Diskussion darüber geführt werden, wie man die Zukunft gestalten will. Beispiel Schule: Wenn im Zuge des demografischen Wandels auch die Zahl der Kinder sinkt, kann die Gemeinde auf den sinkenden Bedarf mit einer Kürzung des Schulbudgets reagieren. Oder mit einer Steigerung, um attraktiver für Familien zu werden.
Nicht das Thema demografischer Wandel selbst nervt. Denn das betrifft unser aller Leben, unsere Zukunft, unsere Arbeit und sogar unsere sozialen Beziehungen. Was nervt, ist vielmehr die Tatsache, dass wir behandelt werden, als wären wir machtlos gegenüber der Entwicklung. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Wir alle müssen den Wandel gemeinsam gestalten.