Wenn die Angst krankhaft wird
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Dienstag, 16. Februar 2016
Angst ist eigentlich ein normales Gefühl. Doch manchmal kann sich die Angst auch zu einer Krankheit entwickeln. Dabei lässt sich dagegen etwas tun, sagt Professor Jürgen Deckert, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg.
Angst ist eigentlich ein normales Gefühl. Doch manchmal kann sich die Angst auch zu einer Krankheit entwickeln. Etwa 13 Prozent aller Menschen sind weltweit von Angsterkrankungen betroffen. Dabei lässt sich dagegen etwas tun, sagt Professor Jürgen Deckert, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg.
Deckert: Angst ist grundsätzlich sinnvoll, weil sie vor Gefahren schützt. Die krankhafte Angst tritt allerdings in Situationen auf, wo es keine reale Gefahr gibt. Sie hindert einen daran, Dinge zu tun, die man eigentlich machen möchte. In die Schule oder zur Arbeit gehen, eine Partnerschaft entwickeln. Es gibt die unterschiedlichsten Formen.
Zum Beispiel?Deckert: Es gibt Ängste vor Aufzügen, vor Spinnen, vor medizinischen Eingriffen. Die soziale Angst betrifft Menschen, die auf niemanden zugehen können und Gefahr laufen, ein Mauerblümchendasein zu fristen. Es gibt Patienten, die nicht in der Öffentlichkeit essen, weil sie Angst haben, sich zu blamieren. Und dann gibt es Menschen, die aus heiterem Himmel Panikattacken erleiden. Beim Busfahren, beim einkaufen gehen. Werden diese Ängste nicht behandelt, meiden die Patienten künftig solche Situationen.
Deckert: Sie beginnen oft im Kinder- und Jugendalter. Am deutlichsten wirkt sich hier die Schulangst aus. Manchmal formulieren Kinder ihre Angst ganz direkt oder sie entwickeln körperliche Symptome. Das ist oft der erste Schritt. Dann sollte man schauen, ob hinter den körperlichen Beschwerden eine Angst steckt.
Deckert: Der Gang zum Hausarzt oder Kinderarzt ist der erste Schritt. Der kann das Kind gegebenenfalls zu einem Therapeuten überweisen.
Nimmt die Zahl der Kinder zu, die krankhafte Ängste entwickeln?Deckert: Das ist schwer zu sagen. Generell ist die Akzeptanz in der Gesellschaft gewachsen, dass es psychosomatische Krankheiten gibt. Sowohl bei den Ärzten als auch bei den Betroffenen. Alleine wegen dieser besseren Akzeptanz haben wir es auch mit einer höheren Fallzahl zu tun. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen des Alltags. Menschen, die nicht so stressresistent sind, sind dem häufig nicht gewachsen.
Das heißt: Die gesellschaftlichen Veränderungen sind für die Zunahme von psychischen Erkrankungen zuständig?Deckert: So einfach ist das nicht. Die Häufigkeit von schizophrenen Psychosen nehmen beispielsweise nicht zu. Die Zahl der Angsterkrankungen steigt dagegen leicht an. Wir wissen aber nicht: Liegt das daran, dass die Diagnose häufiger gestellt wird oder weil es stressbedingt tatsächlich zu einer Häufung kommt.