Wenn aus einer Übung ein Ernstfall wird
Autor: Diana Fuchs
Geiselwind, Freitag, 25. November 2016
Bei einem Termin im Wald, bricht die Redakteurin zusammen. Die Rettungskette Forst funktioniert.
Raureif liegt über den Feldern. Bei Langenberg, einem Ortsteil von Geiselwind, bahnt sich die Sonne langsam ihren Weg durch den Hochnebel. Doch am Waldrand, wo sich 80 Gemeinde- und Forstarbeiter sowie Rettungskräfte treffen, ist es noch dunstig. Der Frost knistert bei jedem Schritt, als sich die Männer auf den Weg Richtung Galgenberg machen. Auf einer kleinen Anhöhe mitten im Wald sollen sie erleben, wie die „Rettungskette Forst“ funktioniert. Und sie sollen lernen, wie sich sich im Fall des Falles am besten verhalten.
372 Unfälle im Kreis Kitzingen
Manfred Flurschütz mimt ein Opfer. Als die Männer aus dem ganzen Landkreis bei ihm ankommen, liegt er bäuchlings auf dem kalten, nassen Waldboden. „Er ist bewusstlos!“, ruft Norbert Wolf, der im echten Leben zusammen mit Flurschütz bei der Gemeinde Wiesentheid arbeitet. „Wir haben diesen Baum hier fällen wollen.“ Wolf deutet auf eine stattliche Eiche, dann auf den Stumpf einer morschen Birke. „Aber dann ist meinem Kollegen ein Birkenstamm auf den Kopf gefallen und hat seinen Helm abgeschlagen.“
Nachdem Norbert Wolf einen Notruf abgesetzt hat, wissen BRK, Notarzt und Feuerwehr genau, wo sie suchen müssen. 116 neu installierte, so genannte „Rettungstreffpunkte“ in allen Teilen des Landkreises lotsen sie bei Notfällen in die richtige Richtung – sofern der Alarmierende die Nummer des nächsten Rettungstreffpunktes weiß. Wolf hatte sich vor dem Einsatz im Wald die entsprechende Zahl notiert beziehungsweise die Notfall-App aufs Handy geladen. Er kann deshalb die wichtige Ziffernfolge sofort nennen.
Norbert Wolf bringt Manfred Flurschütz in die stabile Seitenlage und kontrolliert noch einmal Atmung und Puls. Dann eilt er zum Rettungstreffpunkt, wo er die Helfer in Empfang nehmen und ihnen den Weg zum Verunglückten zeigen wird.
Die Minuten vergehen, das „Opfer“ rührt sich noch immer nicht. Die 80 Männer, darunter mehrere Förster, stehen in einem großen Halbkreis um den Unfallort herum. Klaus Behr, Bereichsleiter Forsten am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen, macht deutlich, dass diese Übung schnell Realität werden könnte: „Pro Jahr geschehen in Unterfranken etwa 2 500 Unfälle in der Land- und Forstwirtschaft.“ Forstreferendar Christopher Traub ergänzt: „Allein im Landkreis Kitzingen gab es im vergangenen Jahr 372 solcher Vorfälle.“
Dann beobachten Christopher Traub, Klaus Behr und die anderen Männer, wie die Retter mit medizinischen Geräten und einer Trage den Hang heraufkommen. Leicht außer Atem knien die Ersten neben Manfred Flurschütz nieder, überprüfen seine Vitalfunktionen und die Kopfwunde.
Mit vereinten Kräften heben die BRK- und Feuerwehrmänner ihn schließlich auf die Trage, was gar nicht so einfach ist, denn der abschüssige Waldboden ist ziemlich rutschig. Feuerwehrmänner stemmen sich am unteren Ende der Trage gegen den Hang, ihre robusten Stiefel tun jetzt gute Dienste. Flurschütz' Kopf soll keiner weiteren Belastung ausgesetzt werden. Deshalb wird er mit Luftkissen gestützt und nur ganz vorsichtig bewegt.