Tödlicher Geisterfahrer-Unfall: Senioren und das Autofahren
Autor: Robert Wagner
Kitzingen, Montag, 28. Dezember 2015
Nach einem tragischen Unfall am 23. Dezember wird wieder über die Fahrtüchtigkeit von Senioren diskutiert. In der Nähe von Rottendorf ist an diesem Abend ein 24-Jähriger beim Zusammenstoß mit einem 81-jährigen Geisterfahrer ums Leben gekommen.
Es ist der 23. Dezember 2015, gegen 22.45 Uhr. Ein Autofahrer versucht noch, das Unglück zu verhindern. Auf der B8 Richtung Würzburg sieht er bei Rottendorf auf der Gegenfahrbahn ein Auto. Es fährt in die falsche Richtung. Der Fahrer wählt sofort den Notruf, doch noch während des Telefonats kracht der Geisterfahrer in einen entgegenkommenden Wagen. Der Geisterfahrer ist 81 Jahre alt.
Der 24-jährige Fahrer stirbt noch am Unfallort, seine beiden Mitfahrer werden verletzt. Der 81-Jährige Geisterfahrer selbst kommt in ein Krankenhaus und schwebt noch immer in Lebensgefahr. Es sind tragische Unfälle wie diese, die die Diskussion um den Umgang mit älteren Autofahrern anheizen. Sind flächendeckende Tests nötig, die die Fahrtauglichkeit von älteren Menschen überprüfen? Wenn ja, ab welchem Alter? Reichen nicht auch freiwillige Angebote?
Weitere Informationen zum Unfall bei Rottendorf finden Sie hier.
Es ist ein schwieriges Thema, auf ganz verschiedenen Ebenen. „Senioren sind nicht grundsätzlich unsichere Verkehrsteilnehmer“, sagt Harald Hufnagel von der Polizeiinspektion Kitzingen. Laut offizieller Statistik waren Senioren, also Menschen über 65 Jahre, im Jahr 2014 an 2677 Unfällen in Unterfranken beteiligt. Das entspricht einem Anteil von 7,3 Prozent – und liegt damit wesentlich niedriger als der Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung. Dieser liegt bei knapp 20 Prozent. Im Jahr 2014 waren 12,5 Prozent aller Falschfahrer auf Autobahnen in Unterfranken über 70 Jahre alt. „Bei Bundesstraßen erhöht sich der Anteil auf 57 Prozent“, sagt Claudia Ernst vom Polizeipräsidium Unterfranken.
Im Landkreis Kitzingen wurden in den ersten drei Quartalen diesen Jahres 125 Unfälle mit Senioren erfasst. „In 75 von ihnen waren sie auch die Hauptverursacher“, sagt Hufnagel. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Rückgang von 19 beziehungsweise 25 Prozent. Oft seien Senioren auch als Fußgänger an Unfällen beteiligt.
Dass Senioren relativ selten an Unfällen beteiligt sind, liegt laut Hufnagel vor allem daran, dass sie auch seltener Auto fahren. „Die durchschnittliche Fahrtauglichkeit ist dennoch deutlich niedriger als bei jüngeren Altersgruppen. Falsch wäre es jedoch, Senioren in Gänze als unsichere Verkehrsteilnehmer darzustellen. Durch ihre langjährige Praxis verfügen sie über einen hohen Erfahrungsschatz.“
Eingeschränkte Handhabe
Ältere Autofahrer sind auch immer wieder Thema in der Führerscheinstelle. „Erst wenn Zweifel an der Fahrtüchtigkeit aufkommen, können wir aktiv werden“, erklärt Sandra Weiss, Sachgebietsleiterin Verkehrswesen im Landratsamt Kitzingen. Dann würden ärztliche Atteste, Gutachten und eventuell auch Fahrproben verlangt. „Solche Zweifel werden uns meist von der Polizei oder den Gerichten mitgeteilt.“
Glücklicherweise gehen die meisten Unfälle glimpflich aus. Weiss berichtet von einem Fall aus diesem Jahr: Ein über 90-jähriger Mann sei durch den halben Landkreis zu einer Gaststätte gefahren. Unterwegs sei er an einem parkenden Wagen hängengeblieben – aber einfach weitergefahren. Später wurde er von der Polizei angehalten. Auf die Frage der Beamten, ob er den Anstoß nicht gehört habe, habe er gesagt „Was haben Sie gesagt? Sie müssen lauter reden!“
In einem anderen Fall sei eine Frau Mitte 80 falsch herum in eine Einbahnstraße gefahren. Als Erklärung hätte sie angegeben, dass die Straße, als sie dort noch gewohnt habe, keine Einbahnstraße gewesen sei. „Das lag jedoch schon 30 Jahre zurück“, erzählt Weiss.