Schwarzarbeit auf dem Zettel
Autor: Julia Volkamer
, Mittwoch, 31. August 2022
Mit 27,7 Millionen Euro könnte man so einiges anfangen: Sich einen 100-Karat-Diamanten an den Finger stecken – und das passende „Prada“-Outfit gleich dazu. Einen Fußball-Nationalspieler in die Kreisklasse holen. Oder ihn mit der eigenen „Gulfstream G200“ einfliegen. Für einige dieser Luftschlösser würde sich im Ernstfall auch der Zoll interessieren. Er ist dafür verantwortlich, die Bundesrepublik Deutschland vor finanziellen Schäden in solchen Höhen zu schützen. Im Einsatz sind dafür unter anderem die Beamten von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS).
Mit 27,7 Millionen Euro könnte man so einiges anfangen: Sich einen 100-Karat-Diamanten an den Finger stecken – und das passende „Prada“-Outfit gleich dazu. Einen Fußball-Nationalspieler in die Kreisklasse holen. Oder ihn mit der eigenen „Gulfstream G200“ einfliegen. Für einige dieser Luftschlösser würde sich im Ernstfall auch der Zoll interessieren. Er ist dafür verantwortlich, die Bundesrepublik Deutschland vor finanziellen Schäden in solchen Höhen zu schützen. Im Einsatz sind dafür unter anderem die Beamten von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS).
Die waren und sind auch im Landkreis Kitzingen unterwegs – wenn auch zu selten, wie Michael Groha von der IG Bauen, Agrar und Umwelt (IG BAU) findet. „Der Zoll muss mehr Präsenz zeigen. Das Risiko für schwarze Schafe, bei einer Kontrolle erwischt zu werden, ist noch immer zu gering“, sagt der Bezirksvorsitzende. Das Hauptzollamt Schweinfurt, das auch für den Landkreis Kitzingen zuständig ist, habe hier im vergangenen Jahr 122 Verfahren gegen Unternehmen eingeleitet, weil Mindestlöhne unterschritten, gar nicht oder zu spät gezahlt wurden, schreibt Groha in einer Pressemitteilung. Dabei verhängten die Beamten Bußgelder in Höhe von rund 572.000 Euro, beruft sich die IG BAU auf eine Erhebung des Bundesfinanzministeriums. Demnach entfielen 23 Ordnungswidrigkeitsverfahren auf Baufirmen in der Region, gegen die Geldbußen von 42.700 Euro verhängt wurden. „Die Zahlen zeigen, dass es viele Arbeitgeber mit der Bezahlung ihrer Beschäftigten nicht so genau nehmen“, so Groha.
Kein Kavaliersdelikt
Schwarzarbeit gibt es aber längst nicht nur im Baugewerbe. Das weiß auch Tanja Manger, Stabsstelle Kommunikation im Hauptzollamt Schweinfurt mit Sitz im Dettelbacher Mainfrankenpark. Erst im Frühjahr 2022 wurde eine 45-jährige Frau aus dem Landkreis Kitzingen vom Amtsgericht Würzburg zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Vorwurf: Sie hat in ihrem gastronomischen Betrieb fast zweieinhalb Jahre lang Abgaben zur Sozialversicherung komplett oder zum Teil einbehalten und zudem mit ihren Lohnzahlungen den gesetzlichen Mindestlohn unterschritten. Sie verkürzte Sozialversicherungsbeiträge und Steuern in Höhe von 250.000 Euro. „Viele meinen, ein paar Euro an der Steuer vorbei seien ein Kavaliersdelikt“, steht in einem Flyer der Generalzolldirektion, der Bundesoberbehörde, die dem Finanzministerium unterstellt ist. „Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung sind ein Problem für den Fiskus (...), aber auch für die Unternehmen.“ Der legal handelnde Arbeitgeber könne mit illegaler Konkurrenz nicht mithalten und das Sozialsystem nur funktionieren, wenn jeder bereit sei, seinen Beitrag zu leisten.
Dass das in Zeiten, in denen Löhne ebenso wie Energie- und Materialkosten steigen, während die Zahl der Fachkräfte sinkt, eine echte Herausforderung für Arbeitgeber darstellt, leuchtet auch dem Leiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in Dettelbach ein. Mit etwa 30 Beamten ist er, der nicht namentlich genannt und auch nicht abgelichtet werden möchte, regelmäßig in seinem Zuständigkeitsbereich unterwegs, um Betriebe aus verschiedenen Branchen wie Bau- und Gastgewerbe, Gebäudereinigung, Fleischerwirtschaft sowie Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe zu kontrollieren. Im Jahr 2021 kamen im gesamten Bezirk des Hauptzollamts Schweinfurt so 9882 Personenbefragungen und 1199 Prüfungen bei Arbeitgebern zusammen. Die abtrünnigen Unternehmer zahlten 864.425 Euro an Geldstrafen sowie 1.080.000 Millionen Euro an Geldbußen und Verwarnungsgeldern, außerdem wurden 50 Jahre Freiheitsstrafe – meist zur Bewährung – verhängt. „Die Zahlen sprechen für sich und unsere Arbeit“, sagt der Beamte. „Aber sie gleichen noch lange nicht die Schadenssumme von 27 Millionen Euro aus.“
Talent für die Gerechtigkeit
Grundsätzlich stimmt er der IG BAU zu, die gerne mehr Personal im Einsatz sähe, um Schwarzarbeit vorzubeugen. „Entscheidend ist, dass die FKS zusätzliches Personal bekommt. Das Bundesfinanzministerium als oberster Dienstherr der Zollverwaltung muss sich mit Hochdruck um neue Kontrolleure kümmern“, schreibt Michael Groha dazu. Einen akuten Mangel sehen weder Tanja Manger noch der zuständige leitende Beamte in Dettelbach – und trotzdem wirbt die Behörde mit einem Flyer um neue Mitarbeiter. „Du im Team, für mehr Gerechtigkeit in Deutschland“ ist der Slogan der „Talentsuche“. Ob Ausbildung oder Duales Studium, der Zoll biete viele Möglichkeiten, seine Talente zu entfalten. Ob Kontrollen an Grenzen und (Flug-)Häfen, auf Baustellen und in Gaststätten, ausgebildet für den Innendienst an Band und Bildschirm, mit Dualem Studium der Verwaltungsinformatik oder für den Gehobenen Dienst – wer einen Realschulabschluss oder die (Fach-)Hochschulreife besitzt, hat beim Zoll die Wahl.
Schon während der beruflichen Ausbildung arbeiten die Anwärter in der Schwarzarbeitsbekämpfung aktiv mit, nach dem Berufsabschluss könne man sich noch weiter qualifizieren: Für Spezialeinheiten zu Land oder zu See, an der Waffe oder mit tierischen Begleitern an der Seite.
„Der Zoll ist eine Mischung aus Finanzamt und Polizei“, wirbt Tanja Manger für ihren Arbeitgeber – und damit auch für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Die sei schließlich auch viel mehr als nur eine Kontrollinstanz. Sie überprüfe nicht nur die Richtigkeit von Meldepflichten und Lohnzahlungen, sondern schütze auch alle anderen Bürger. Dadurch, dass mancher Arbeitgeber Abgaben für die Sozialversicherung einbehält oder mancher Arbeitnehmer zusätzlich Arbeitslosen- oder Kindergeld einfordert, ohne dass er arbeitslos ist oder Kinder hat, entstehe schließlich auch allen anderen ein Nachteil.