Druckartikel: Nicht ganz dicht

Nicht ganz dicht


Autor: Robert Wagner

Dettelbach, Montag, 11. April 2016

Die Dettelbacher Schleuse wird repariert, bis Ende April fahren keine Schiffe auf dem Main.
Über 1000 Liter Wasser pumpen die großen Pumpen aus der Dettelbacher Schleuse. Bis sie leer ist, dauert es trotzdem Stunden.


Wer die Frühlingstage für einen Spaziergang am Main nutzt, kann vieles sehen: Immer grüner werdende Wiesen, blühende Blumen und Bäume. Vögel, die aus ihrem Winterquartier zurückgekehrt sind. Menschen, die die Sonne genießen. Eines wird man im Moment aber vermissen, was sonst fest zum Landschaftsbild gehört: die Schiffe.

„Schuld“ daran sind Eva Brückner und ihre Kollegen vom Wasser- und Schifffahrtsamt in Schweinfurt/Volkach (WSV). Vom 8. bis 29. April ist der Schiffsverkehr auf dem Main fast gänzlich lahmgelegt. Wie jedes Jahr müssen Schleusen überprüft und mehr oder weniger umfangreiche Arbeiten vorgenommen werden. Von den 19 Schleusen zwischen Trunstadt (Oberfranken) und Rothenfels (Unterfranken), die im Zuständigkeitsbereich liegen, soll jede normalerweise alle sechs Jahre einmal komplett trocken gelegt werden, erklärt Eva Brückner. Normalerweise.

Denn in Dettelbach liegt die Schleuse auch heuer wieder „auf dem Trockenen“ – und das obwohl doch bereits im Jahr 2015 umfassende Arbeiten nötig waren. Damals wurden alle sechs Schleusentore ausgetauscht. Die teilweise über 30 Tonnen schweren Stahlmonster mussten von einem 500-Tonnen-Kran bewegt werden. Ein immenser Aufwand, um die Schleuse zu modernisieren.

Strikter Zeitplan

Allein: Die Tore – genauer gesagt deren Wasserdurchlässe, die „Schützen“ genannt werden – sind undicht. „Der Verschleiß ist dadurch viel höher“, erklärt Brückner. Durch das ständig hindurchrauschende Wasser vibriert der Stahl. Außerdem nutzen sich die Gummidichtungen schneller ab. Ein Fehler der Herstellerfirma, der sich erst zeigte, als die Schleuse wieder geflutet war. Doch da war es für Änderungen zu spät.

Denn die Arbeiten laufen nach einem strikten Zeitplan ab. Bis zu zwei Jahre vorher werden die Reedereien über den Ablauf informiert, um ihnen die Planung zu erleichtern: Immerhin werden mehrere Millionen Tonnen Güter auf dem Main transportiert. Hinzu kommen die großen Touristenschiffe. Eine plötzliche Verlängerung der Sperrung ist unmöglich. Deshalb heißt es dieses Jahr in Dettelbach: Auf ein Neues!

Bereits am Freitag wurden provisorische Wassersperren eingebaut, sogenannte Revisionstore. Taucher kommen zum Einsatz, die die schweren Stahlplatten unter Wasser in die dafür vorgesehenen Rillen manövrieren müssen. Weil das Wasser aufgewühlt und dreckig ist, müssen die Arbeiter im Dunklen hantieren. Statt Sehen heißt es Tasten.

Dann springen die fünf großen Pumpen an. 220 Liter Wasser pro Sekunde pumpt jede von ihnen aus der Schleuse. Soviel wie eine volle Badewanne. Trotzdem dauert es viele Stunden, bis die Schleuse trocken ist. Auf einer Länge von 300 Metern, einer Breite von zwölf Metern und einer Tiefe von 9,50 Metern sammelt sich eben viel Wasser an: etwa 34 Millionen Liter.

Erst wenn die Schleuse trocken ist, können die eigentlichen Arbeiten beginnen. Neben den nötigen Abdichtungen an den Toren soll eine neue Elektronik eingebaut werden. Sie soll helfen, die Notfall-Abschaltung von der Zentrale in Marktbreit aus zu erleichtern. Außerdem müssen immer kleinere Schäden ausgebessert werden, die durch die großen Schiffe entstehen.

„Wenn die in die Schleuse fahren, dann sind auf jeder Seite noch 30 Zentimeter Platz“, erklärt Eva Brückner. „Das ist schon wenig, wenn sie Ihr Auto einparken.“ Und das eigene Auto ist keine 100 Meter lang und kann im Gegensatz zum Flussschiff einfach bremsen. Kollisionen kommen deshalb regelmäßig vor, erzählt Brückner. Auf den Schäden bleibt meist das WSV sitzen. „Es ist kaum möglich, die Schuldigen zu finden.“ Fahrerflucht sozusagen. „Früher, als es noch Schleuser vor Ort gab, haben die zumindest noch manchmal einen Knall gehört“, sagt Eva Brückner. Früher – das heißt hier bis 2011. Seitdem werden die Schleusen in Dettelbach, Goßmannsdorf, Marktbreit und Kitzingen-Hohenfeld alle von Marktbreit aus ferngesteuert.

Parkplätze für Schiffe

Insgesamt ist viel Geld in den Ausbau des Wassertransportwegs Main geflossen. Allein in Dettelbach waren es laut Brückner seit dem Jahr 2009 sieben Millionen Euro für die Schleuse und 16 Millionen Euro für den Ausbau der Vorhäfen genannten „Parkplätze“ für Schiffe vor und hinter der Schleuse. Kein Einzelfall: Auch der Ausbau des Vorhafens in Kitzingen hat vergangenes Jahr über acht Millionen Euro gekostet.

Investitionen sind allerdings immer wieder nötig: Mit einem Alter von 59 Jahren ist die Schleuse in Dettelbach eine der jüngsten im Raum Schweinfurt/Volkach. Viele der Großbauprojekte stammen noch aus der Vorkriegszeit. Seitdem reißen enorme Kräfte an den Schleusen. Es macht eben einen großen Unterschied, ob im täglichen Betrieb tausende Tonnen Wasser auf den Wänden lastet – oder eben nicht.

Führt man sich diese gewaltigen Kräfte vor Auge, könnte man fast geneigt sein, die Schiffe zu vergessen, und beim Main-Spaziergang stattdessen mal einen Blick auf die im Bau befindlichen Schleusen zu werfen.