Bilanz der Ausbildung: Sorgen um Nachwuchs
Autor: Robert Wagner
Volkach, Freitag, 04. November 2016
Firmen finden keine Azubis, Jugendliche keine Stellen. Auch im Landkreis Kitzingen bleiben viele Stellen unbesetzt. Die duale Ausbildung ist im Wandel, doch es muss sich noch vieles tun.
Vielen Auszubildenden mangelt es heute an Verantwortungsgefühl und Selbstständigkeit, meint Manuel Drescher. „Das fängt oft schon bei der Pünktlichkeit an“, findet der Vorstandsvorsitzende der EIKONA AG in Volkach. „Für viele Jugendliche ist der Übergang zur Ausbildung die erste große Krise“, hält Christa Stadie entgegen. Zu Problemen an der für sie völlig neuen Umgebung kämen häufig noch persönliche Sorgen hinzu. Schließlich befinden sich viele junge Auszubildende noch in der Pubertät, sagt die Berufsberaterin der Agentur für Arbeit (BA) in Kitzingen. Dafür müsse man Verständnis haben.
„Ich denke, beide Aspekte spielen eine Rolle“, meint Kerstin Stehle, Geschäftsführerin der BA in Würzburg. Einerseits müssten die Jugendlichen schneller aus ihrer „Komfortzone“ heraus, andererseits müssten Unternehmen ihre Anforderungen überdenken und anpassen. Jeder fünfte Ausbildungsvertrag wird vorzeitig aufgelöst. „Das ist viel zu viel“, sagt Stehle. „Alle müssen sich darum bemühen, diese Zahl zu senken.“
Kerstin Stehle und ihre Kollegen Christa Stadie und Alfred Schmidt waren diese Woche in Volkach, um die Ausbildungsbilanz 2016 vorzustellen. Der Pressetermin fand in den Räumlichkeiten des IT-Dienstleisters EIKONA statt. Das Unternehmen bildet Fachinformatiker aus. Schnell kam man ins Gespräch. Schließlich gibt es viel zu diskutieren.
Zum Beispiel, wie man die alten Geschlechterbilder überwinden kann. In den acht Jahren, in denen Rene Wagenhäuser bei EIKONA bereits Lehrlinge ausbildet, war nur eine junge Frau dabei. „Es gibt bei den Mädchen und Jungen noch feste Geschlechtervorstellungen“, bestätigt Christa Stadie. „Das ist nur schwer aufzubrechen.“ Vor allem, weil sie über Jahre gewachsen und anerzogen sind. „Bei der Berufswahl spielen häufig auch die Eltern noch eine Rolle“, meint Kerstin Stehle.
Das ist aber nur die eine Seite der Medaille: Laut Arbeitsvermittler Alfred Schmidt sind es auch oft die Arbeitgeber selbst, die in klassischen Mustern denken. Bewerberinnen würden zum Beispiel auf dem Bau aufgrund „fehlender sanitärer Einrichtungen“ abgelehnt – für Schmidt ist das häufig nur ein vorgeschobener Grund.
Dabei können es sich die Arbeitgeber gar nicht mehr leisten, einen Großteil der potenziellen Bewerber von vornherein auszuschließen. Der Trend der letzten Jahre setzte sich im Landkreis Kitzingen fort: 83 Ausbildungsplätze blieben unbesetzt. Nicht nur ein Problem in Unterfranken. In ganz Deutschland konnten laut BA für 43 500 Lehrstellen keine passenden Bewerber gefunden werden.
Besonders betroffen vom Azubi-Schwund waren auch dieses Jahr wieder die Gastronomie, das Fleischer- und das Bäckerhandwerk. Aber auch die Firma EIKONA in Volkach spürte die Auswirkungen. Zwar hatte sie genügend Bewerber – viele von ihnen haben sich aber erst sehr spät beworben, erzählt Personalerin Melissa Heck. „Sonst hatten wir schon im Frühjahr dutzende Bewerbungen. Dieses Jahr haben sich viele erst im Juni oder Juli gemeldet.“