Milch - lokal und doch global
Autor: Robert Wagner
Hörblach, Dienstag, 26. Januar 2016
Wenn der Ölpreis fällt, dann wackelt in Neuseeland die Börse - und in Deutschland sinkt der Milchpreis. Von idyllischen Vorstellungen ist wenig geblieben. Heute ist der Markt international. Dazu auch ein Kommentar von Robert Wagner.
Wenn der Ölpreis fällt, dann wackelt in Neuseeland die Börse – und in Deutschland sinkt der Milchpreis. So ungefähr lässt sich die Situation von deutschen Milcherzeugern beschreiben. Landwirte stehen in internationaler Konkurrenz, der Markt ist schnelllebig und sprunghaft.
„Der Verbraucher weiß gar nicht, was hinter den Kulissen alles passiert“, sagt Lothar Ehehalt, seit einem Jahr Vorsitzender des Milcherzeugerrings Unterfranken. „Es interessiert eigentlich auch keinen. Man hat lieber diese heile Welt von früher vor Augen, mit Kühen auf der Wiese.“
In Wirklichkeit seien Landwirte heute gleichzeitig Agraringenieure, Techniker, Manager und Ökonomen. Auch kompliziertere Finanzinstrumente wie Derivate – bekannt durch ihre zentrale Rolle bei der Finanzkrise 2008 – sollten sie beherrschen. „Oft ist heute schon lange vor ihrer Produktion ein Drittel der Produkte verkauft“, erklärt Ehehalt.
Als Milchwirt hat Ehehalt gelernt, den internationalen Markt genau zu beobachten – und das weit über die engen Grenzen der Landwirtschaft hinaus. Auch politische Entscheidungen sind wichtig. Das Ende der Ein-Kind-Politik in China im vergangenen Oktober – ein Glückstag für die Milcherzeuger? „Da entsteht mittelfristig eine große Nachfrage nach Milchprodukten“, sagt der Landwirt. Und das ist sehr wichtig: Schon jetzt ist China laut Deutschem Bauernverband weltweit größter Abnehmer von Milchpulver – und das mit Abstand.
Mit Bestürzung und Sorge hat Ehehalt hingegen auf den Börsencrash in China vor wenigen Tagen reagiert. Viele Kleinanleger hätten so viel Geld verloren. „Geld, das fürs Leben fehlt.“ Hinzu kommt, dass der Ölpreis niedrig ist. Was das mit Milch zu tun hat? „Die Erdöl produzierenden Länder müssen viele Lebensmittel importieren.“ Dazu fehlt dann Geld. Dazu das Importembargo Russlands und ungünstige Wechselkurse. „So einen Druck auf die Märkte habe ich seit mindestens 20 Jahren nicht erlebt“, sagt Ehehalt kopfschüttelnd.
Bei knapp 30 Cent pro Kilogramm steht der Milchpreis momentan. Seit seiner Hochphase vor zwei Jahren ist er um über zehn Cent gefallen. Dass die weltweiten Entwicklungen den Preis derart beeinflussen, ist auf den ersten Blick kaum verständlich. „Der Großteil der Milch bleibt im deutschen Markt“, erklärt Ehehalt. Der Export gehe zumeist in die europäischen Nachbarländer. „Nur ein ganz kleiner Teil geht wirklich auf den Weltmarkt – doch der Teil bestimmt den Preis.“
Die internationalen Preise werden an der neuseeländischen Börse entschieden. „Da schaut man als Milcherzeuger hin, da werden die Preise gemacht“, sagt der Landwirt. Alle Abnehmer würden sich an den dortigen Preisen orientieren. Auch die großen Lebensmittelketten in Deutschland, die den Markt beherrschen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Als Milchbauer stehe man am Ende einer langen Kette. Das Motto lautet: Friss oder stirb. „Viele Produkte kann ich lagern – Milch aber nicht“, beschreibt Ehehalt. „Bevor man die Milch verderben lässt, verkauft man sie lieber für wenig Geld.“