Traditionell ziehen Anfang November die Kinder zu Ehren des Heiligen Martin durch die Straßen. Und doch wird man heuer nicht überall Laternen wandeln sehen.
Sie sind ermüdend und schweißtreibend, hartnäckig und ansteckend. Aber eines sind sie garantiert nicht, die Krankheitserreger, die aktuell den Landkreis Kitzingen in (tröpfchenschwangerem) Atem halten: Barmherzig. Auch nicht, wenn es auf St. Martin zugeht. Ob Magen-Darm-Virus, Novembergrippe oder gar Corona, proportional zur Vorfreude auf Laternenumzug und Martinsandacht steigen auch die Infektionszahlen – während die Kindertagesstätten mit vielfältigen Alternativen gegen die drohende Gefahr ankämpfen, dass die Martinsfeier nach 2020 ein zweites Mal ausfallen muss. Leider nicht immer erfolgreich.
Auf der sicheren Seite
Noch Anfang vergangener Woche hieß es in Großlangheim, dass der Martinsumzug, der traditionell mit Andacht in der Kirche und Laternenumzug begangen wird, auf jeden Fall stattfindet. „Wir hatten in den letzten Tagen allerdings so viele kranke Kinder, dass wir uns entschieden haben, darüber noch einmal zu beraten“, erklärt Karin Straßberger, Leiterin des Hauses für Kinder. Zusammen mit ihrem Team hatte sie sich überlegt, dass man sich in diesem Jahr noch einmal einschränken und lediglich die Andacht zusammen feiern solle. „Das ist vor allem für die Kinder sehr schade“, weiß die Pädagogin. „Mit dieser Lösung bewegen wir uns aber auf der sicheren Seite.“ Schließlich wolle man eine Situation wie im letzten Herbst, als sich die gesamte Belegschaft nach einem Corona-Fall in Quarantäne begeben musste, unbedingt vermeiden.
St. Martin in Stationen
Für diese Sichtweise hat Claudia Kräutlein größtes Verständnis. In „ihrem“ Haus für Kinder Zum Guten Hirten in Markt Einersheim hatte sie mit ihren Mitarbeiterinnen von Beginn an eine etwas andere Martinsfeier geplant: So wird es keine Andacht in der Kirche geben, keinen Umzug zum Kinderhaus und kein gemütliches Beisammensein im Garten – das wegen der laufenden Bauarbeiten am neuen Krippengebäude ohnehin kaum möglich gewesen wäre. Die Kinder führen ihre Laternen nun innerhalb eines zweistündigen Zeitfensters auf dem Kirchplatz und an Stationen unter freiem Himmel aus. Am einen Standort wird die Martinsgeschichte gelesen, am anderen auf Steckenpferden geritten, am nächsten unter dem Motto „Freude verschenken“ eine Bastelaktion organisiert. Die selbst gebastelten Päckchen gehen an ältere Menschen, die von der Diakoniestation in Markt Einersheim gepflegt werden. „Durch die Stationen kann man das Ganze ein bisschen entzerren und die große Menschenansammlung vermeiden“, so die Kindergartenleiterin. Zum Abschluss spielt der Posaunenchor der Kirchengemeinde die Lieder, die die Kinderhaus-Kinder schon tagelang geübt haben. „Die Martinsfeier gehört einfach zur Kindergartenzeit dazu“, findet Claudia Kräutlein. „Es wäre schade, wenn sie den Kindern noch einmal versagt bliebe.“
Laternenumzug ohne Eltern
Auch Heike Jutzi weiß, wie sehr die Kinder auf den Martinsumzug hinfiebern. „Sie haben ganz individuelle Laternen gebastelt, zusammen mit den Mitarbeiterinnen Martinsgänse gebacken“, erzählt die Leiterin des Kindergartens Schreibergasse in Kitzingen von den Vorbereitungen. „Sie wollen so gerne zeigen, was sie Schönes gemacht haben. Und wir wollen ihnen so gerne die Möglichkeit dazu geben.“ Bis Ende letzter Woche war ein Umzug geplant, kleiner als sonst, gruppenweise, hin zu den umliegenden Spielplätzen, wo Lieder gesungen und die Plätzchen verteilt werden sollten. In Absprache mit dem Elternbeirat wurde dieser Plan allerdings noch einmal verworfen. „Wir werden jetzt wahrscheinlich doch nur mit den Kindern allein durch die Straßen ziehen, beim nahe gelegenen Seniorenheim Halt machen und dort singen“, verrät Heike Jutzi. Die letzte Entscheidung, wie der Laternenumzug, dem sonst bis zu 500 Menschen folgten, stattfinden kann, soll am heutigen Montag fallen.
Heike Jutzi ist froh, dass ihre Elternschaft so großes Verständnis zeigt und voll hinter der Belegschaft steht. „Eigentlich darf man den Umzug ja durchführen“, sagt die Kindergartenleiterin. „Aber die Krankheitswelle hat uns fest im Griff.“ Trotzdem wolle man den Kindern ein Stück Normalität schenken – wenngleich die Situation der Kindergärten in Jutzis Augen auch in dieser Phase der Pandemie von den regierenden Entscheidungsträgern wieder sträflich vernachlässigt wird. „In den Schulen gilt bald wieder die Maskenpflicht.
Und wie sollen wir uns verhalten?“, bemängelt sie die fehlende Unterstützung. Nun habe sie sich in Absprache mit dem Träger, der Evangelischen Kirchengemeinde, selbst beholfen, wenn es um Themen wie die Regelung bei Krankheits- oder Corona-Fällen in den Familien der Mitarbeiterinnen geht.
Und so werden im Laufe der Woche immer wieder wandelnde Lichter durch die Straßen ziehen, mal mit, mal ohne Eltern, mit oder ohne Andacht. Jeder wird auf ganz eigene Art die Barmherzigkeit des Heiligen Martin feiern – und für eine kurze Zeit die unbarmherzigen Grippe-, Erkältungs- und Corona-Viren vergessen können.