Ehrenamt: Kostenlos - aber nicht umsonst
Autor: Robert Wagner
Kitzingen, Donnerstag, 07. April 2016
Fast ein Drittel aller Menschen in Bayern engagieren sich laut Landesregierung ehrenamtlich. Das Ehrenamt prägt und trägt die Flüchtlingshilfe. Aber werden die Helfer genug unterstützt?
Fast ein Drittel aller Menschen in Bayern engagieren sich laut Landesregierung ehrenamtlich. Knapp vier Millionen Bürgerinnen und Bürger. Für Sport, Kultur, Jugendarbeit, Rettungs- und Pflegedienste – und in jüngster Zeit vor allem in der Flüchtlingshilfe. „Man muss sich nur einmal vorstellen, was los wäre, würden die alle von einem Tag auf den anderen aufhören“, sagt Gerald Möhrlein, Kreisvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO).
Das ist zugegebenermaßen kein sehr wahrscheinliches Szenario – aber es zeigt, wie wichtig Ehrenamt tatsächlich ist. Und welche Werte geschaffen werden – auch ökonomisch: Wenn jeder der vier Millionen aktiven Bürger nur eine Stunde pro Woche ehrenamtlich arbeitet, sind das im Jahr knapp zwei Milliarden Euro, die man ausgeben müsste, um die Arbeit durch hauptamtliche Mitarbeiter zu ersetzen. Gerechnet mit dem Mindestlohn und ohne zusätzliche Abgaben.
Mehr Förderung nötig
Die Frage ist also: Wird das Ehrenamt genug gefördert? Wird den Ehrenamtlichen genug Wertschätzung entgegengebracht? Angela und Frank Hufnagel bezweifeln das – zumindest für den Landkreis Kitzingen. Die beiden sind politisch aktiv für die Grünen, Angela Hufnagel sitzt für die Partei im Kreistag. Außerdem ist sie auch ehrenamtlich aktiv, beispielsweise als Alltagslotsin. Und sie hat einen Leitfaden für ehrenamtliche Helfer in der Flüchtlingsarbeit geschrieben. „Ich bin überrascht, dass es trotz der fehlenden Koordination noch so gut läuft“, sagt sie.
Im Vergleich zu anderen Landkreisen sehen die Hufnagels großen Verbesserungsbedarf. In Bad Kissingen übernimmt das Landratsamt Kosten für Schulungen, in Hof werden über eine eigene Website viele nötige und aktuelle Informationen bereitgestellt. Der Kreis Hassberge übernimmt die Fahrtkosten von Ehrenamtlichen. Im Landkreis Kitzingen gebe es nicht einmal einen eigenen Haushaltstitel für die Unterstützung der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer, erklärt Angela Hufnagel.
Selbst wenn das Landratsamt also aktiv werden wollte, müssten die Mittel aus anderen Töpfen abgezogen werden. „Es ärgert mich brutal, dass es in anderen Landkreisen viel besser läuft.“
Für Landrätin Tamara Bischof läuft diese Kritik ins Leere. Zwar sieht sie ebenfalls Verbesserungsbedarf an einigen Stellen – zuständig für die Koordinierung der Ehrenamtlichen im Flüchtlingsbereich sei jedoch die Caritas. „Wir befinden uns ständig in Gesprächen, um die Flüchtlingshilfe zu optimieren“, erklärt Bischof. Die Caritas habe mehrere Stellen für Beratung und Koordination geschaffen. Auch Schulungsangebote gebe es von Seiten der Caritas zu Genüge. Das Landratsamt werde derweil schon über seinen Aufgabenbereich hinaus aktiv, um die Arbeit der Ehrenamtlichen zu unterstützen.
Personalmangel
„Mich ärgert es, dass sich die Landrätin auf diese Position zurückzieht, obwohl die Koordination seitens der Caritas seit zwei Jahren nicht richtig funktioniert“, sagt hingegen Angela Hufnagel. Katrin Anger, von Seiten der Caritas damit beauftragt, die Ehrenamtlichen zu koordinieren, wirbt um Verständnis: „Auch meine Erfahrung ist es, dass sich die Ehrenamtlichen mehr Betreuung wünschen.“ Durch den rapiden Anstieg der Flüchtlingszahlen und auch der ehrenamtlichen Helfer seit 2014, seien aber auch die personellen Kapazitäten bei der Caritas erschöpft gewesen. Gerne hätte sie mit jedem Ehrenamtlichen zunächst ein Gespräch geführt, sich über Wünsche für Schulungen informiert. „Das konnten wir damals aber nicht leisten“, sagt Anger.