Klimawandel: Kein Gleichgewicht im Wald
Autor: Robert Wagner
Kitzingen, Freitag, 28. Oktober 2016
Der Klimawandel ist für Jäger und Förster bereits heute Realität. Er verändert ihre Arbeit schon jetzt. Durch die zunehmende Trockenheit und die landwirtschaftliche Landnutzung gerät das natürliche Gleichgewicht durcheinander.
Es soll sie ja noch geben: die Klimaskeptiker. Menschen, die leugnen, dass sich die Erde erwärmt und das negative Auswirkungen auf unsere Umwelt, die Pflanzen- und Tierwelt hat. Klaus Behr vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und Klaus Damme, Vorsitzender der Kreisgruppe Kitzingen im Bayerischen Landesjagdverband (BJV), gehören nicht dazu. In ihrem Alltag haben sie schon direkt mit den Auswirkungen der Klimaerwärmung zu tun.
Eingriffe sind nötig
Behr ist Förster, Damme Jäger. Beide sind, wie ihre Kollegen im allgemeinen, darum bemüht, ein dynamisches Gleichgewicht zu erhalten zwischen Tierwelt und Wald. Kein leichtes Unterfangen: Die Zusammenhänge sind komplex, eine Veränderung kann ungeahnte Folgen haben. Wäre es nicht am Besten, der Natur einfach ihren Lauf zu lassen? „Nein, das funktioniert nicht“, sagt Klaus Behr. „Der vom Menschen erzeugte Klimawandel verläuft zu schnell, die natürliche Anpassung des Waldes dauert dafür zu lange.“ Das sei auch ein wesentlicher Unterschied zur Landwirtschat: Während man dort von Jahr zu Jahr reagieren kann, andere Pflanzen ansäen oder durch Zucht bestehende Sorten anpassen kann, braucht der Wald Jahrzehnte, ja Jahrhunderte, um zu wachsen.
Man könne der Natur schon ihren Lauf lassen, meint dagegen Jäger Klaus Damme, müsse dann aber mit den Konsequenzen leben. Die jeweiligen Tier-Populationen würden sich an das Nahrungsangebot anpassen. Das Problem: Es gebe Arten, die kämen damit zurecht, andere hingegen weniger. „Wildschweine, Rehe, Elstern, Krähen – auch um den Fuchs würde ich mir keine Sorgen machen“, sagt Damme. Andere Tiere stürben hingegen aus. „Wenn man will, dass es bei uns weiter Rebhühner, Feldhasen oder den Ortolan gibt, dann muss man schon etwas tun.“
Doch was kann man tun? Am besten angepasst an die sich verändernden Bedingungen im Landkreis sind Eichen-Hainbuchenwälder mit vielen wärme- und trockenheitsliebenden Baumarten wie Feldahorn, Elsbeere, Walnuss oder Esskastanie, erklärt Klaus Behr. Besonders Eichen kämen mit der zunehmenden Trockenheit gut klar – können sie doch aufgrund ihrer Pfahlwurzeln auch tiefere Wasservorräte erreichen.
Doch gerade die jungen Eichensprösslinge sind eine Lieblingsspeise des Rehwilds. „Es gilt der Grundsatz Wald vor Wild“, erklärt Behr. Die Bejagung soll dazu führen, dass der Wald sich natürlich, das heißt ohne arbeitsaufwendige und teure Schutzmaßnahmen, verjüngen kann. Auf einem Großteil der Waldfläche, speziell auf der Fränkischen Platte, liege man weit hinter diesem Ziel zurück. Und dass, obwohl die Abschusszahlen seit Jahren steigen. Insgesamt 1937 Rehe wurden in der Jagdsaison 2005/2006 im Landkreis Kitzingen geschossen. Zehn Jahre später, in der Saison 2015/2016, waren es bereits 2666. Ein Anstieg von knapp 40 Prozent.
Doch scheinbar reicht das nicht. Es kommt trotzdem zu einer Entmischung der Wälder, erklärt Behr. Verbissempfindliche Baumarten wie Eiche, Wildkirsche oder Elsbeere werden in ihrer Entwicklung gebremst, von robusteren Baumarten überwuchert und sterben schließlich ab. „Dabei brauchen wir eine Mischung der Baumarten dringend.“ Denn in ein paar Jahren, wenn sich die klimatischen Bedingungen weiter verschlechtert haben werden, seien die Chancen für eine erfolgreiche Walderneuerung noch geringer. „Wir wünschen uns deshalb von den Jägern, dass sie so jagen, dass sich alle Baumarten natürlich verjüngen und sich klimastabile Mischwälder entwickeln können“, betont Behr.
Als Schuldzuweisung oder als schwelenden Konflikt mit den Jägern möchte er diese Forderung allerdings nicht verstanden wissen. Es sei wichtig, dass alle zusammenarbeiten. Das schließt auch die Landwirte mit ein. Das bestätigt auch Klaus Damme: „Dass wir so großen Verbiss im Wald haben, liegt auch an unserem Freizeitverhalten und daran, dass die Rehe keine Deckungs- und Äsungsflächen außerhalb des Waldes haben.“