Druckartikel: Johannes Koch aus Unterfranken hat Herztransplantation überlebt

Johannes Koch aus Unterfranken hat Herztransplantation überlebt


Autor: Ralf Dieter

Marktsteft, Montag, 18. Januar 2016

Er sitzt auf seinem Bett im Wohnzimmer. Er spricht und er kann auch wieder lachen. Er hat Pläne für die Zukunft. Was für die meisten Menschen ganz normal ist, gleicht für die Familie Koch einem Wunder. Denn Vater Johannes hat eine Herztransplantation überlebt.
Glücklich nach langem Kampf: Johannes Koch hat seine Leidenszeit dank der Unterstützung seiner Frau Karin und der Kinder Nadja und Daniel überstanden. „Jetzt geht es Schritt für Schritt aufwärts“, sagt der Marktstefter.


Er sitzt auf seinem Bett im Wohnzimmer. Er spricht und er kann auch wieder lachen. Er hat Pläne für die Zukunft. Was für die meisten Menschen ganz normal ist, gleicht für die Familie Koch einem Wunder. Sechs Jahre Leidenszeit sind vorbei. Vater Johannes ist auf dem Weg der Besserung. Er hat eine Herztransplantation überlebt.

26. August 2009: Der Gebrauchtwagenhändler fährt von Regensburg nach Hause. Er fühlt sich ein wenig komisch. Abends weckt er seine Frau, weil er nicht mehr alleine aus dem Bett kommt. Ab in die Klinik Kitzinger Land, dort die niederschmetternde Diagnose: Schwerer Hinterwandherzinfarkt, sofort weiter in die Uniklinik nach Würzburg. Dort war Johannes Koch in den folgenden sechs Jahren so etwas wie ein Stammgast.

Etwa fünf Herztransplantationen pro Jahr werden an der Uniklinik in Würzburg durchgeführt. „Mehr geht leider nicht, weil die Spender fehlen“, bedauert Professor Wolfram Voelker, stellvertretender Klinikdirektor. Patienten gebe es mehr als genug, die auf ein neues Organ warten. „In manchen Fällen kommt es zu spät.“

Angst, Hoffnung, Trauer, Schmerzen, Zuversicht, Niedergeschlagenheit. Das Leben von Johannes Koch glich seit dem Infarkt einer Achterbahnfahrt der Gefühle. Von der Klinik zur Reha, nach Hause, wieder in die Klinik. „Es war ein fortwährender Kreislauf“, erinnert sich seine Frau Karin. Kaum waren die Bypässe gelegt, schwächte ihn eine Lungenentzündung. Kaum schlug eine Reha positiv an, machte die Niere oder ein anderes Organ schlapp.

Im Dezember 2009 hatte der damals 48-Jährige das erste Mal mit seinem Leben abgeschlossen. In seinem Reha-Zimmer spuckte er Blut und Schaum – Lungenstauung. „Ich dachte, ich sterbe.“ Ein Pflegefall wollte er auf keinen Fall werden, lieber sterben. Gerade noch rechtzeitig kam er auf den OP-Tisch. Die Leidenszeit sollte erst beginnen.

„Sein Herz wurde immer schwächer“, berichtet seine Frau. „Ich habe es zum Schluss gar nicht mehr gespürt“, sagt er. Der Blutdruck bei 50 zu 30, die Auswurfleistung bei rund 20 Prozent – normal sind 55 Prozent. „Mein Vater war nicht mehr wiederzuerkennen“, erinnert sich Nadja, Jüngstes von fünf Kindern. 2013 war klar: Johannes Koch braucht ein neues Herz. Sein Name wurde auf die Liste für eine Transplantation gesetzt. Das Warten begann. „Das war vielleicht die schlimmste Zeit. Du kannst nichts tun und machst dir ständig Gedanken“, sagt er. Dazu ging es mit der Gesundheit rapide bergab: Das schwache Herz konnte das Wasser nicht mehr aus dem Körper pumpen.

„Meine Beine waren vollkommen aufgequollen, der ganze Körper.“ Literweise haben ihm die Ärzte das Wasser aus dem Körper gezogen, der immer schwächer wurde. Am 15. Juni 2015 wanderte sein Name auf der Transplantationsliste weit nach oben. „Hochdringlich“ stand von nun an dort als Vermerk.

Am 3. September erreichte die Familie die erlösende Nachricht: Ein Spenderherz war gefunden, eines, das zu seiner Blutgruppe 0 und den Antikörpern passen könnte. Euphorie mischte sich mit der Angst vor der schweren Operation. „Die Überlebensrate liegt bei rund 80 Prozent“, erklärt Prof. Voelker. „Entscheidend ist in der Regel der Zeitpunkt für den Eingriff.“ Für Johannes Koch war er offensichtlich noch nicht gekommen. Ein paar Stunden nach der Nachricht die Ernüchterung: Das Spenderherz passt doch nicht. „Sie können sich nicht vorstellen, was man in solchen Momenten durchmacht“, sagt Johannes Koch. „Mir war klar, dass es das für mich war. Noch einmal konnte ich nicht so lange auf ein Herz warten.“

Was dann geschah, bezeichnet die Familie als Wunder: Drei Tage später weckt ihn ein Arzt um 22 Uhr in seinem Zimmer in der Uniklinik: Fertigmachen zur OP. Ein geeignetes Herz ist gefunden. „Ich dachte erst, der macht einen Spaß mit mir“, erinnert sich der Familienvater. Schnell ruft er seine Frau in Marktsteft an, wenig später liegt er schon im OP-Saal. Um 5 Uhr in der Früh sehen Karin und Tochter Nadja den Eilkurier mit dem Koffer, in dem das Spenderherz transportiert wird, im langen Gang der Uniklinik. „Wir sind in Tränen ausgebrochen“, erinnert sich die Mutter.

Vier Stunden wird Johannes Koch operiert, danach auf die Intensivstation der Klinik gebracht. Zweieinhalb Wochen ist er dort. Für ihn und seine Familie eine Tortur. „Ich habe sehr oft mitbekommen, dass jemand stirbt“, sagt er. Jeden Tag beten seine Angehörigen, dass er überlebt. Vier Tage lang wird Johannes Koch ins künstliche Koma versetzt, von früh um 9 bis abends um 21 Uhr wacht seine Frau am Bett, hält seine Hand, spricht zu ihm.

„Es war ganz komisch“, erinnert sie sich. „Sobald es auf 21 Uhr zuging, wurde er unruhig, seine Hand zuckte.“ „Ich habe im Koma gemerkt, ob jemand da war oder nicht“, bestätigt Johannes Koch.

Vier Monate sind seither ins Land gegangen, Johannes Koch macht große Fortschritte. Weihnachten hat er im Kreise seiner Familie verbracht – „das schönste Geschenk meines Lebens“ –, das Herz schlägt manchmal so stark, dass er regelrecht erschrickt. Sein Blutdruck liegt mittlerweile bei 130 zu 80, die Leistungsfähigkeit des neuen Herzens beträgt schon 60 Prozent. „Ich bin dem Spender unheimlich dankbar“, sagt Johannes Koch. „Und gleichzeitig tut mir natürlich seine Familie unendlich leid.“ 47 Jahre war der Mann, dem Johannes Koch sein Leben verdankt, mehr weiß er nicht über den Spender. „Das will ich auch nicht“, sagt er.

Sein Leben ist auch so aufwühlend genug. Alle ein bis drei Monate eine Biopsie, bei der Gewebe aus dem Herz entnommen wird, alle zwei Wochen muss er zu Nachsorge in die Klinik, jeden Tag schluckt er rund 20 Tabletten und spritzt sich Insulin. Dennoch: Johannes Koch spricht von einer großen Lebensqualität. „Ich bin ein ganz anderer Mensch geworden“, sagt er. „Viel gelassener als früher. Ich bin so froh, hier zu sitzen“, sagt er auf seinem Bett im Wohnzimmer. „Ich könnte ja auch längst auf dem Friedhof liegen.“

Der Marktstefter weiß, dass er ein zweites Leben geschenkt bekommen hat. Und dieses Geschenk will er nutzen. „Ich will wieder laufen lernen, in einem Café sitzen und mich unterhalten“, sagt er und macht eine kurze Pause. „Und vor allem will ich meine Frau endlich auch kirchlich heiraten.“