"Jedes Jahr neue und teilweise verrückte Auflagen"

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Gemeinsam gegen das Wirtshaussterben. Thomas Dauenhauer warb schon vor zwei Jahren zusammen mit Landtagspräsidentin Barbara Stamm für bessere Rahmenbedingungen für die Gaststättenbetreiber.
Foto: Ralf dieter

Thomas Dauenhauer kritisiert die steigende Bürokratie und warnt vor einem weiteren Wirtshaussterben

Das Gaststättensterben ist längst zur Realität geworden. Im Freistaat Bayern ist die Zahl der Wirtshäuser in den letzten zehn Jahren um 40 Prozent zurückgegangen. Im Landkreis Kitzingen um rund 15 Prozent. Für den Kreisvorsitzenden des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Thomas Dauenhauer, mehr als ein Alarmzeichen. Das Wirtshaussterben ist für ihn ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Frage: Warum sollte das Gaststättensterben die gesamte Gesellschaft etwas angehen?

Thomas Dauenhauer: Weil ein Dorf mit der Gaststätte seinen Mittelpunkt verliert, seinen Kommunikationstreffpunkt. Und einen Jahrhunderte alten Ort, an dem sich Jung und Alt trafen und austauschten.

Gibt es Gebiete im Landkreis, in denen das Problem besonders ersichtlich ist?

Dauenhauer: Im Maintal und im Fränkischen Weinland gibt es fast keine Rückgänge – hier wirkt der sehr gute Tourismus. Hier helfen auch die Übernachtungen und damit die innerbetrieblichen Quersubventionen.

Das heißt?

Dauenhauer: Der Erlös von den Übernachtungen wird in die Gastronomie gesteckt.

Und das ist nötig?

Dauenhauer: In vielen Fällen schon.

Wo ist mit einem weiteren Gaststättensterben zu rechnen?

Dauenhauer: Schwierig ist die Lage beispielsweise im Steigerwald oder in der Rhön. Generell in allen Gemeinden, die nicht direkt vom Tourismus profitieren.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Gaststätten profitabel arbeiten können?

Dauenhauer: Es ist heutzutage fast nicht mehr möglich mit einer reinen Gaststätte, das heißt, ohne Übernachtungen, Geld zu verdienen.

Warum ist das so?

Dauenhauer: Da gibt es etliche Gründe. Gaststätten in Deutschland sind beispielsweise europaweit am höchsten besteuert. Doppelt bis dreifach so hoch wie in unseren europäischen Nachbarländer. Dazu kommt, dass die Mehrwertsteuer in der Gastronomie fast drei mal so hoch ist als bei allen anderen Lebensmittelverkäufern in Deutschland. Das ist ein fast unüberwindlicher Wettbewerbsnachteil.

Haben Sie ein Beispiel?

Dauenhauer: Sicher. Es ist doch völlig unverständlich, weshalb eine Familie in der Gaststätte drei mal so viel Mehrwertsteuer für die Bratwurst mit Kraut bezahlen muss, wie für die gleiche Bratwurst im Imbissstand. Selbst für den Kaviar im Lebensmittelhandel oder im gelieferten Catering muss man deutlich weniger Steuern bezahlen. Aber eine andere Sache wurmt mich fast noch mehr.

Geht es noch schlimmer?

Dauenhauer: Leider ja. Ich arbeite jetzt seit über 30 Jahren in der Gastronomie. Jedes Jahr werden uns neue Auflagen, Beschwernisse und Hindernisse auferlegt. Egal ob es neue Hygieneauflagen sind oder unendliche Listen und Protokolle, die täglich geführt werden müssen.

Zum Beispiel?

Dauenhauer: Stundenaufzeichnungen, Kontrollen von Zoll und Gewerbeämtern, die Pflicht zur elektronischen Kassenführung, Brandschutzauflagen, völlig verrückte und überzogene Arbeitszeitauflagen.

Die Konsequenzen?

Dauenhauer: Die Konsequenzen? All dies muss erfüllt werden und erhöht unseren Aufwand und die Kosten, die am Ende natürlich erst einmal erwirtschaftet werden müssen. Es kann echt nicht sein, dass die Gastronomie jedes Jahr mit neuen und teilweise verrückten Auflagen überzogen wird!

Auflagen, die Geld kosten.

Dauenhauer: Na klar. Leider ist es besonders auf dem Land nicht möglich, für diese Kosten dann auch die entsprechenden Preise für unsere Leistungen zu erhalten. Wer sein Auto in die Werkstatt gibt, oder einen Handwerker bestellt, weiß, welche Stunden bezahlt werden müssen. Wenn wir in der Gastronomie auch nur ähnliche Stundensätze verrechnen würden, müsste jedes Gericht mindestens das Doppelte kosten. Nur, wie sollen da die Gaststätten ihre Mitarbeiter bezahlen, die Kosten decken und am Abend noch etwas für die Wirtsfamilie übrig bleiben?

Wer soll denn dann noch eine Gaststätte eröffnen?

Dauenhauer: Gute Frage. Wir können selbstverständlich nicht von den jungen Fachleuten erwarten, dass sie Gaststätten übernehmen und weiterführen, wenn es so gut wie keine Chance gibt, damit auch Geld zu verdienen. Jeder der arbeitet, muss am Endes des Tages so viel Geld verdient haben, dass er davon leben kann. Das muss für alle Mitarbeiter gelten, aber auch für die Wirtsfamilie, die in so einer Gaststätte mit Sicherheit am allermeisten arbeitet.

Aber in Mainfranken geht es den Wirtsleuten noch verhältnismäßig gut.

Dauenhauer: Wie gesagt, in den touristischen Ecken geht es. Aber auch dort gibt es ein Problem, das uns zusetzt und hochgradig ungerecht ist. Ich spreche von der Konkurrenz durch Feste, durch Vereinsgastronomie, durch Sportheime oder Gemeinschaftssäle. Die werden vom Staat gefördert und bevorzugt, die Leistung wird hier oft von „Ehrenamtlichen“ kostenlos erbracht. Und dann werden nicht marktgerechte, das heißt viel zu billige Preise verlangt.

Wo ist das Problem für die Gastronomie?

Dauenhauer: Auf diese Weise wird das Preisniveau für alle gastronomischen Leistungen niedrig gehalten. Wie will denn der Gastwirt für den Schoppen Wein einen auskömmlichen Preis erzielen, wenn der gleiche Schoppen woanders zum halben Preis verkauft wird?

Sie sind ganz schön verärgert.

Dauenhauer: Ich bin vor allem besorgt. Aber klar, ich ärgere mich auch. Auch über die Einheimischen, die jetzt über ein Wirtshaussterben klagen.

Warum denn das?

Dauenhauer: Weil auch der einheimische Gast öfter in die Gaststätten gehen muss. Es ist doch ein Witz, wenn er einmal im Jahr ins Gasthaus gehen will und dann bekümmert feststellt, dass gar keines mehr da ist.

Ihre Forderungen an die Politik und die Gesellschaft?

Dauenhauer: Es muss mehr Steuergerechtigkeit und mehr Wettbewerbsgerechtigkeit für die Gastronomie geben. Es muss deutlich weniger Auflagen und Beschwernisse geben. Es muss deutlich höhere Preise in der Gastronomie geben. Nur so können auch die Mitarbeiter gerecht bezahlt werden. Und es muss der Wirtsfamilie am Ende des Tages für ihre harte Arbeit so viel übrig blieben, dass sie davon leben kann. Nur dann kann man junge Leute dafür gewinnen, Gaststätten weiterzuführen. Und nur dann kann das Wirtshaussterben gebremst werden.