Intelligentes aus Marktbreit
Autor: Robert Wagner
Marktbreit, Donnerstag, 11. Februar 2016
Haben Sie jemals einen IQ-Test gemacht? Rechnen, Muster und Formen erkennen, logische Entscheidungen treffen. Ein bis zwei Stunden lang. Und am Ende bekommt man eine Zahl zugewiesen. Dieser Intelligenzquotient gibt an – ja was eigentlich? In erster Linie, wie gut man im Vergleich zu anderen Menschen abgeschnitten hat. Dabei wurde der Wert 100 als Durchschnittswert festgelegt.
Der vom Hamburger William Stern vor gut 100 Jahren entwickelte IQ dient bis heute – oft in weiter entwickelter Form – psychologischen und sozialwissenschaftlichen Untersuchungen. Er hat aber auch seine Schwächen. So weiß man zwar, dass jemand mit einem IQ von 120 intelligenter ist, als jemand mit einem IQ von 100. Man weiß aber nicht um wieviel. „Man kann den IQ nicht wie andere Maßeinheiten, beispielsweise Zentimeter oder Kilogramm verwenden“, erklärt Dr. Siegfried Lehrl, Präsident der internationalen Gesellschaft für Gehirntraining in Ebersberg. Die Aussage, ein Mensch mit einem IQ von 120 ist um 20 Prozent intelligenter als ein Mensch mit 100 ist deshalb unzulässig und einfach falsch.
Psychologen arbeiten deshalb an alternativen Messinstrumenten für Intelligenz. Eines wurde maßgeblich von einem gebürtigen Marktbreiter beeinflusst: Prof. Dr. Erwin Roth. Der Sohn eines Elektromonteurs wurde am 29. Mai 1926 in der Schulgasse 5 geboren. Nach dem Krieg holte er 1947 sein Abitur nach und begann 1949 an der Universität Würzburg Psychologie zu studieren. Dort promovierte er 1957. Zwischen 1978 und 1980 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, 1998 starb er schließlich im Alter von 71 Jahren in Salzburg.
Roths Messinstrument basiert auf „Bits“. Das sind, ganz ähnlich wie beim Computer, Entscheidungsfälle, in der es nur zwei Möglichkeiten gibt. Intelligenz bestimmt nun laut Psychologen die Geschwindigkeit, mit der ein Mensch zu einer Entscheidung gelangt.
Siegfried Lehrl fasst die Errungenschaften Roths in drei Punkten zusammen. Erstens verstand er Intelligenz nicht als eigenständige Größe – sondern als Ergebnis der körperlichen Grundlagen des Gehirns. „Heute erscheint das selbstverständlich, damals wurde das jedoch noch kontrovers diskutiert“, erklärt Lehrl.
Zweitens entwickelte er einen Test, mit dem sich Intelligenz als Maß der Reaktionsgeschwindigkeit bei Reizen verstehen lässt. „Er hat versucht, Intelligenz auf ganz einfache Größen zurückzuführen“, sagt Lehrl.
Drittens verstand er Intelligenz eben nicht als angeborene, stabile Größe, sondern als beeinflussbare, erlern- und trainierbare Fähigkeit. Um so wichtiger, als zu Roths Zeit „Bemühungen um Intelligenzsteigerung bei gesunden Personen als unsinnige Versuche abgetan wurden“, wie Lehrl erklärt. Anders als sein 62 Jahre älterer und sicherlich wesentlich bekannterer „Nachbar“ aus Marktbreit, Alois Alzheimer, habe Roth keine Krankheit beschrieben, sondern den Weg zur Intelligenzförderung bereitet. Etwas „sehr Positives“, wie Lehrl findet.
Der Erlanger Psychologe beschreibt einige Ergebnisse dieser Denk- und Forschungsweise: Dank ihr lässt sich untersuchen, wie sich die Ernährung, das soziale Umfeld und der Schlaf auf die Intelligenz auswirken. „Bei Problemen in der Familie sinkt auch die Intelligenz der Kinder“, sagt Lehrl. „Sie ist damit auch eine soziale Größe.“