Druckartikel: Hort der Geschichten

Hort der Geschichten


Autor: Robert Wagner

Kitzingen, Freitag, 22. April 2016

Sie geben Büchern ein Zuhause. Buchläden haben ihr Aussehen verändert - viele sind ganz verschwunden. Ein Blick auf Buchläden, passend zum Welttag des Buches
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Sigrid Klein ist in ein Gespräch vertieft. Es geht um die neuesten Bucherscheinungen. Eine Kundin ist auf der Suche nach Lesestoff. „Hach, das ist was für's Gefühl“, sagt die Verkäuferin gerade fröhlich und legt ein Taschenbuch auf den Tisch. „Etwas für uns Frauen.“ Ihr Lachen ist ansteckend. In knapp 40 Jahren hat sie so einigen Wandel in der Branche erlebt – ihre Begeisterung für Bücher hat sie dabei nie verloren.

„Eine lebendige Buchhandlung“ nennt Klein den Laden in der Marktstraße in Kitzingen. „Schöningh“ steht in großen Buchstaben über dem Eingang. Gute Beratung, persönlicher Kontakt und auch mal Zeit für einen kleinen Plausch sind für Klein die Erfolgskriterien eines modernen Buchladens. Die Kunden sollen sich wohlfühlen. Deshalb gibt es hier auch mehrere Tische und Stühle, Kaffee wird angeboten.

„Mittlerweile muss man mehr anbieten, als nur Bücher“, erklärt Sigrid Klein. Es gibt allerlei Geschenkartikel und Süßigkeiten. „Hochwertig“, betont die Verkäuferin. Auch die Lage müsse passen. Ebenso wichtig: Ein großes Sortiment. „Man will ja auch was in der Hand haben, will stöbern.“ Allein deswegen haben für sie Buchläden auf jeden Fall eine Zukunft – trotz großer Onlinehändler wie Amazon. Deren Anteil wird oft überschätzt: Laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels wurden im Jahr 2014 nur 16,2 Prozent – oder 1,51 Milliarden Euro über das Internet umgesetzt. Beliebteste Adresse bleibt weiterhin der Buchladen.

Sigrid Klein hat den Wandel dea Kitzinger Buchmarktes erlebt – arbeitete bereits im Geschäft, als es noch Buchhandlung Högner hieß, hat die Zeit als Liebausche Buchhandlung miterlebt und mehrere Umzüge mitgemacht. Von der Alten Burgstraße über die Herrnstraße bis hin zur Marktstraße.

Mit dem Namen Högner verbindet sich viel Geschichte. Bereits 1908 hatte Bernhard Högner den Buchhandel Schmitt in der Alten Burgstraße übernommen. Unter Sohn Otto Högner arbeitete Hans-Joachim Sannig in den 1950er Jahren. Er schreibt in seinen Erinnerungen, dass sein erstes Brutto-Gehalt im Jahr 1953 „immerhin“ bei 180 DM lag. Er organisierte Buchausstellungen in Gasthäusern. Gab einheimischen Künstlern Raum für Kunstausstellungen.

Gerd Högner, der den Buchladen ab 1978 führte, erinnert sich an den Kitzinger Buchhändler Arthur Menge zurück. „Das war ein Original“, sagt er. „Mein Großvater hat mir immer von ihm erzählt. Menge muss im Zirkus als Löwenbändiger aufgetreten sein – so was ist heute nicht mehr vorstellbar.“

Ein anderer bekannter Name ist Hans-Otto Holzner. Der gebürtige Wiesentheider war intensiv am Aufbau des kulturellen Lebens in Kitzingen beteiligt. Nach seiner Zeit im ostpreußischen Tilsit und im lettischen Riga kehrte er nach dem Krieg als Vertriebener nach Kitzingen zurück. In seinem Buchladen in der Schweizergasse gastierten Musiker, Sänger und Dichter. So prägte er die kulturelle Nachkriegszeit in Kitzingen – auch über den literarischen Bereich hinaus.

Noch heute sind kleinere Veranstaltungen in den Buchläden nicht ungewöhnlich, auch wenn sie ihre Bedeutung als Treffpunkte der kulturellen Kreise sicher ein Stück verloren haben.

Die Zahl der neu erschienen und verkauften Bücher in Deutschland geht derweil Jahr für Jahr zurück. So ist es nicht verwunderlich, dass am heutigen UNESCO-Welttag des Buches die Jugend im Zentrum steht. Am Todestag von William Shakespeare wird bereits zum zwanzigsten Mal das Welttagsbuch „Ich schenk dir eine Geschichte“ an Kinder der 4. und 5. Klassen verschenkt. Auch die Buchhandlung Schöningh mit Sigrid Klein und ihren Kollegen beteiligen sich an der bundesweiten Aktion. Das Ziel: Bei Kindern die Freude am Lesen zu wecken – und so die Zukunft der Buchläden sichern.