Glas ist Gold wert
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Donnerstag, 11. August 2022
Verrückte Welt! Viele Jahre lang hat man eine Bestellung aufgegeben – und ein paar Wochen später standen georderte Flaschen genau in der gewünschten Form und Farbe parat. Heute kommt bestellte Ware entweder mit großer Verspätung, in alternativer Ausführung – oder gar nicht. Die noch lieferfähigen Glashütten Europas kommen mit der Produktion nicht hinterher, zudem fehlen Rohstoffe. Wie kann das sein und wie reagieren unsere Winzer, die ihre Weine in Flaschen und Bocksbeutel abfüllen wollen?
Verrückte Welt! Viele Jahre lang hat man eine Bestellung aufgegeben – und ein paar Wochen später standen georderte Flaschen genau in der gewünschten Form und Farbe parat. Heute kommt bestellte Ware entweder mit großer Verspätung, in alternativer Ausführung – oder gar nicht. Die noch lieferfähigen Glashütten Europas kommen mit der Produktion nicht hinterher, zudem fehlen Rohstoffe. Wie kann das sein und wie reagieren unsere Winzer, die ihre Weine in Flaschen und Bocksbeutel abfüllen wollen?
„Die aktuelle Situation der Warenbeschaffung spitzt sich unserer Meinung nach immer weiter zu. Es wird Veränderungen geben müssen“, sagt Martin Schmidt, der bei der Winzergemeinschaft Divino Nordheim/Thüngersheim für den Einkauf zuständig ist.
Die letzten beiden Jahre – „Corona-Jahre“ – haben für Unsicherheiten auf dem Beschaffungsmarkt gesorgt, so Schmidt: Das „Hamstern“ vieler Unternehmen habe die Produktionskapazitäten der Lieferanten maximal ausgeschöpft. Dadurch erhöhten sich die Lieferzeiten zwischen 25 und 50 Prozent, so Schmidt. Plötzliche Produktionsverzögerungen seien auch entstanden, weil ganze Abteilungen in Quarantäne mussten. Davon abgesehen habe es „turbulente Kostenkurven“ gegeben: Der Preis für einen Artikel konnte in kurzer Zeit stark schwanken. „Und nach der Corona-Entspannung kam dann der Ukraine-Russland-Konflikt.“
„Die Liefersituation war schon vor dem Krieg in der Ukraine angespannt“, analysiert auch Cornelius Lauter, Geschäftsführender Vorstand der Winzergemeinschaft Franken (GWF). „Der Krieg hat die Situation aber nochmal verstärkt.“ Dass große Glashütten in der Ukraine kriegsbedingt geschlossen sind, habe Auswirkungen auf den gesamten europäischen Markt: „Überall fehlen Kapazitäten.“ Ganz ähnlich äußert sich Martin Schmidt: „Die Stilllegung ukrainischer Glashütten musste der europäische Markt abfedern, was zu Lieferverzögerungen und Kostensteigerungen führt. Das betrifft auch den Bocksbeutel.“
Obendrein seien die noch lieferfähigen Glashütten mit extremen Kostensteigerungen konfrontiert. Rohstoffe wie Soda und Quarz seien schwerer zu bekommen sowie teurer geworden. Vor allem aber das Gas. „Um Glas zu schmelzen, braucht man Gas. Da gibt es kaum Alternativen.“ Einfach rasch anderswo Glashütten zu bauen, sei Utopie, sagt Lauter. „Jede einzelne Glaswanne kostet Millionen.“
Worst-Case-Szenarien
Für die GWF hat das alles bislang keine produktionskritischen Auswirkungen. „Aber wir bekommen aktuell zum Beispiel keine Flaschen in Lichtgrün – das ist weißliches Glas mit leicht grünem Schimmer.“ Generell habe man das Flaschenlager so gut aufgefüllt wie nur möglich, um einen gewissen Puffer zu haben. Denn man wisse ja nicht, ob sich die Situation entspannt oder weiter anspannt. „Ich hoffe sehr, dass die Glasindustrie zu den wichtigen Industrien gezählt wird, denen das Gas nicht gravierend reduziert wird“, sagt Cornelius Lauter. Er und seine Kollegen sprechen immer wieder Worst-Case-Szenarien durch, um bestmöglich agieren und reagieren zu können.
Echte Alternativen zur Glasflasche sieht der Fachmann nicht: „Glas ist für Wein die ideale Verpackung.“ Bag-in-Box-Gebinde etwa – Plastikbeutel in Kartonagen – seien vielleicht fürs Campen und andere Outdoor-Aktivitäten nützlich, aber nur bedingt Wein-tauglich. „Wenn der Inhalt nicht absolut CO2-frei ist, bläht sich der Karton auf. Zum Lagern und Reifen von Wein eignen sich die Boxen nicht.“