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Giftiger Helfer


Autor: Robert Wagner

Kitzingen, Dienstag, 31. Mai 2016

Krebserregend oder nicht? Sinnvoll und notwendig oder schädlich und überflüssig? Glyphosat beschäftigt Europa - Spurensuche im Landkreis Kitzingen. Mit Kommentar.
Der großflächige Einsatz von Glyphosat gerät immer mehr in die Kritik.


Krebserregend oder nicht? Sinnvoll und notwendig oder schädlich und überflüssig? Beim Thema Glyphosat verlaufen die Konfliktlinien quer durch Politik, Wissenschaft und Landwirtschaft. Eine Einigung über den Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels konnte bisher nicht erzielt werden. Ende Juni läuft die Zulassung des weltweit am häufigsten eingesetzten Herbizids aus. Spätestens dann muss es eine europaweite Lösung geben.

Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wurden in Deutschland im Jahr 2014 insgesamt 5426 Tonnen Glyphosat verkauft, davon 95 Tonnen an Privatpersonen. Auf rund 40 Prozent aller Felder kommt das Gift zum Einsatz. Auch im Landkreis Kitzingen landet es auf den Äckern.

„Ein Verbot würde die Bewirtschaftung schon

einschränken.“

Thomas Karl Amt für Landwirtschaft

In der Landwirtschaft wird das Mittel vor allem im Frühjahr vor der Saat und im Herbst nach der Ernte eingesetzt, erklärt Thomas Karl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kitzingen (AELF). „Glyphosat ist sicher nicht das entscheidende Thema“, betont Karl. „Aber ein Verbot würde die Bewirtschaftung schon einschränken.“ Denn ein vergleichbares Mittel gäbe es nicht.

Alternativen bietet vor allem die mechanische Unkrautbekämpfung, beispielsweise mit dem Pflug. Doch auch die sei mit Nachteilen verbunden. Denn Pflügen fördert die Bodenerosion. Nährstoffe werden leichter ausgespült, der Düngereinsatz erhöht sich. Gerade in einer trockenen Region wie Kitzingen sei das problematisch. Außerdem sind mechanische Varianten, beispielsweise auch das Abflammen, arbeits- und deshalb kostenintensiv. Der europäische Bauernverband Copa Cogeca befürchtet deshalb Wettbewerbsnachteile auf dem Weltmarkt.

Ein weiteres Problem seien die sogenannten Zwischenfrüchte, erklärt Thomas Karl. Diese wurden in den letzten Jahrzehnten vermehrt angepflanzt, um die Bodenqualität zu fördern. Nach der letzten Ernte ausgesät, sollen die Pflanzen die Felder bis zum Frühjahr bedecken – dann aber der nächsten Saat Platz machen. Hier kommt häufig Glyphosat zum Einsatz, welches die Zwischenfrüchte abtötet. Das ist im Raum Kitzingen besonders wichtig: Durch den Klimawandel werden die bereits milden Winter tendenziell noch wärmer – die Pflanzen überstehen die kalten Monate relativ unbeschadet.

Thomas Karl vom AELF befürchtet deshalb vor allem zwei Folgen eines möglichen Glyphosatverbots: „Der Anbau von Zwischenfrüchten wird zurückgehen und der Einsatz des Pfluges steigen.“ Das habe negative Auswirkungen auf die Umwelt. Glyphosatverbot gleich Umweltschutz? „Ganz so einfach ist es eben nicht“. Wobei auch Karl sagt: „Glyphosat ist sicher nichts, was ich im Essen haben will.“

Das jedoch wird schwierig: Die Heinrich-Böll-Stiftung hat im März diesen Jahres den Urin von 2000 Bundesbürgern untersucht: In 75 Prozent aller Proben lag die Glyphosatbelastung mindestens fünfmal so hoch wie der erlaubte Grenzwert im Trinkwasser. Unabhängig davon, ob das Herbizid krebserregend ist, ist das eine beunruhigende Zahl.

Dem richtigen Einsatz des Mittels kommt deshalb entscheidende Bedeutung zu. „Die Landwirte sind sehr gut geschult“, sagt Karl. „Fehleinsatz kommt eher bei Privatpersonen und Kommunen vor.“ Dabei habe man als Kleingärtner eigentlich nur schwer Zugang zu reinem Glyphosat, erzählt Franz Lindenthal, der als professioneller Gärtner, Kreisvorsitzender und Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins (OGV) Mainbernheim beide Seiten kennt. Ein Sachkundenachweis ist dafür nötig, wie Thomas Karl bestätigt. Allerdings gäbe es wahrscheinlich noch große Lagerbestände in privater Hand.

Als OGV weise der Verein seine Mitglieder darauf hin, wann und wie der Einsatz von Glyphosat sinnvoll sei, sagt Lindenthal. „Manch Kleingärtner glaubt, viel hilft viel. Das ist falsch“. In seinem Gartenbaubetrieb achte er darauf, den Einsatz des Mittels zu minimieren und möglichst punktuell vorzugehen.

Im privaten Bereich kommt Glyphosat meist in fertig gemischten Unkrautvernichtern vor. Einige Baumärkte bieten mittlerweile jedoch freiwillig solche Produkte nicht mehr an. Im Sinne der „Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit“ verzichten beispielsweise die Globus Baumärkte seit September 2015 auf glyphosathaltige Produkte. „Wir bekommen zwar schon Nachfragen, die Kunden sind aber auch mit den Alternativen zufrieden“, erklärt eine Verkäuferin der Kitzinger Filiale.

Auch die Stadt Kitzingen verwendet kein Roundup oder andere glyphosathaltigen Mittel mehr. „Wir versuchen auf chemische Mittel ganz zu verzichten“, bestätigt Hilmar Hein, Leiter des Tiefbaumamts. Alternativ müssen die Mitarbeiter der Stadtgärtnerei das Unkraut per Hand entfernen oder abflammen. Viel Aufwand. „Es kann durchaus sein, dass man dann ein- oder zweimal mehr zum Einsatz raus muss“, bestätigt Hein. Er hofft auf eine alternative Lösung. Techniken mit Wasserdampf seien bereits getestet worden, allerdings noch nicht im Einsatz.

Die politische Diskussion um Glyphosat geht derweil weiter. Unabhängig davon, wie sie letztlich ausgeht, kann man schon jetzt eins feststellen, auch im Landkreis Kitzingen: Der Einsatz des Herbizids wird stärker hinterfragt. Folgt daraus ein bewussterer Umgang, ist schon viel gewonnen. Denn auch wenn es hilft: Glyphosat bleibt ein Gift.

 



Kommentar

Im Zeichen des Krebses

Meiner Generation – gerade Anfang 30 – wurde schon früh eines mitgeteilt: Mindestens jeder Zweite von euch wird einmal in seinem Leben an Krebs erkranken. Schöne Aussichten. Ich weiß noch, wie wir in der Schule zusammen standen und abgezählt haben: „Du nicht, du schon.“ Auch wenn wir es mit Humor nahmen, spurlos ging diese Offenbarung nicht an uns vorbei – trotz unserer jungen Jahre.

Mittlerweile gab es die ersten Fälle im Freundeskreis. Es werden nicht die letzten gewesen sein. Unter dieser Perspektive verfolge ich die Diskussion um Glyphosat – und weiß nicht, was ich davon halten soll. „Wahrscheinlich krebserregend“ hieß es zunächst. Damit wäre es ja immer noch weniger gefährlich, als viele Dinge, die wir sonst so zu uns nehmen.

Denn was ist mit den ganzen chemischen Substanzen, die bisher noch nicht einmal untersucht wurden? Nicht nur im Essen, sondern in unserer Kleidung und den Dingen, die uns Tag für Tag umgeben? Ist nicht letztlich fast alles schädlich?

Andererseits: Reicht das als Grund, für Glyphosat zu sein? Ich denke nicht. Und selbst wenn es, wie die neuen Forschungsergebnisse behaupten, alleine nicht krebserregend ist – wie wirkt es in der Summe mit all den anderen chemischen Mitteln, die unser Körper aufnimmt?

Ob das ausreicht, Glyphosat ganz zu verbieten, weiß ich nicht. Ich wäre auf jeden Fall dankbar, wenn gesundheitliche Aspekte – und nicht Profitinteressen – letztlich über die weitere Zulassung entscheiden. Im Sinne meiner Generation und aller folgenden, die unter dem Zeichen des Krebses geboren werden.