Mit der ambulanten Pflege unterwegs
Autor: Robert Wagner
Kitzingen, Dienstag, 13. Dezember 2016
Es ist für viele Menschen ein unangenehmes Gefühl, auf die Hilfe von anderen angewiesen zu sein. Zwei Menschen aus Kitzingen geben Einblick in ihren Tag und erzählen, wie es ist, von der ambulanten Pflege des BRK abhängig zu sein.
Es ist kurz nach 7 Uhr, als wir die Erdgeschosswohnung in der Kitzinger Siedlung betreten. Frau Poschmann wartet schon im Badezimmer. Pflegerin Elke Stapf begrüßt die 85-Jährige gut gelaunt. „Das ist der Herr Wagner“, stellt sie mich vor. Frau Poschmann nimmt zur Begrüßung meine Hand, lächelt mich an. „Sie sind heute aber ein bisschen spät“, sagt sie ohne Verärgerung Richtung Stapf. Ich entschuldige mich: Der Reporter hat den Zeitplan durcheinander gebracht.
Dieser Zeitplan ist eng getaktet: Für Elke Stapf beginnt der Tag früh, um 5 Uhr fährt sie los. Seit sechseinhalb Jahren ist sie für das BRK als ambulante Pflegerin unterwegs. Hilft alten Menschen und anderen Pflegebedürftigen beim Waschen und Anziehen, misst den Blutzuckerspiegel, überprüft Medikamente. Sie hat mit Demenzkranken ebenso zu tun wie mit Menschen, die im Kopf noch fit sind, aber deren Körper nicht mehr mitspielt.
Frau Poschmann gehört zur zweiten Gruppe. Dreimal in der Woche ist sie bei der Tagespflege in Iphofen. Daneben kommen die Pfleger vom BRK regelmäßig bei ihr daheim vorbei. Außerdem bekommt Frau Poschmann Hilfe von ihrer Tochter, die ein paar Kilometer weiter wohnt. „Daheim ist eben daheim“, sagt die 85-Jährige. „Solange es geht, bleibe ich hier.“
Zeit zum Reden
Während Elke Stapf ihr beim Baden hilft, darf ich mich in der Küche umsehen. Gedämpft höre ich ihre Stimmen. Frau Poschmann erzählt von ihren Kindern, ihren Enkeln und Urenkeln. „Die Menschen brauchen nicht nur jemanden, der ihnen hilft, sie brauchen auch jemanden zum Reden“, wird Elke Stapf später sagen. Dafür hätte sie gerne mehr Zeit – doch wie gesagt: Der Zeitplan ist eng getaktet. „Aber wir versuchen immer, uns ein paar Minuten zu nehmen.“ Sie denkt dabei auch an ihre Zukunft: Wie hätte sie es gerne später, falls sie selbst mal Pflege braucht? „Ich will das Gefühl haben, dass ich den Menschen wirklich geholfen habe“, sagt Stapf. „Das mache ich unheimlich gerne.“
Leider gibt es zu wenige Menschen, die so denken. „Wir brauchen dringend Mitarbeiter“, erzählt Monika Walter, Teamleiterin der Sozialstation des BRK in Kitzingen und Wiesentheid. Rund 35 Mitarbeiter hat der ambulante Pflegedienst, der Großteil arbeitet in Teilzeit. Arbeiten in drei Schichten, am Wochenende und an Feiertagen – das ist nicht Jedermanns Sache. Außerdem ist es auch körperlich anstrengend: Zwar gibt es mittlerweile viele technische Hilfsmittel wie verstellbare Pflegebetten oder Lifte, aber wenn man nicht auf die richtige Technik achte, könne man schnell Rückenprobleme bekommen.
Der Personalmangel führt dazu, dass Monika Walter neue Anfragen teilweise ablehnen muss. Es gibt mehr Pflegebedarf als -angebot. „Ich muss im Moment noch schauen, dass wir die Schichten um Weihnachten besetzen können“, sagt sie. Es müsse sich etwas tun – denn der Pflegebedarf werde in den nächsten Jahren sicher nicht geringer.
In Frau Poschmanns Küche hängen überall Fotos: Von ihrem Bruder, der als junger Mann in Stalingrad fiel. Ein schmächtiger Kerl in viel zu großer Uniform. „Nicht einmal 20 Jahre ist er geworden“, sagt Frau Poschmann. Vom Ehepaar Poschmann in früheren Tagen. Er stattlich, sie elegant. Und viele Fotos von den Kindern, den Enkeln und Urenkeln.