Gemeinsam gegen Gaffer
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Freitag, 06. Juli 2018
Frei von Neugierde ist wohl kein Mensch. Aber muss man an Unglücksorten vorbeischlendern wie ein Tourist an einer Sehenswürdigkeit? Muss man auf der Autobahn sein Tempo auf Schrittgeschwindigkeit drosseln und Schwerverletzte oder gar Tote filmen?
Es gibt tatsächlich Menschen, die das tun. Frank Ladnar, stellvertretender Leiter der Autobahnpolizei Biebelried, hat Gaffer der schlimmsten Sorte erlebt, die skrupel- und pietätlos „draufhalten“. Deshalb sind Sichtschutzwände seiner Meinung nach sinnvoll. Er begrüßt die Initiative von Berthold Diem, dem „Blaulichtfotografen“ dieser Zeitung, der mehreren Feuerwehren Sichtschutzwände gesponsert hat. Die Barrieren aus leichtem Gewebe können von zwei Personen wie eine Decke gehalten oder an schnell zu montierenden Stativen befestigt werden.
Frank Ladnar hat bei schweren Unfällen auf der Autobahn erlebt, dass man manche Menschen regelrecht anschreien muss, damit sie weiterfahren. „Die blockieren die Gegenfahrbahn der Autobahn, weil sie ja alles sehen wollen. Jeder Kollege kann davon ein Lied singen.“ Natürlich müsse sich die Polizei vor Ort als Erstes um die Unfallopfer und die Unfallaufnahme kümmern. Erst danach, wenn Zeit ist, können sich die Beamten an die Leitplane stellen, Kennzeichen und Fahrerbeschreibung notieren und Gaffer damit später juristisch belangen. „Neulich haben wir wegen der missbräuchlichen Handy-Nutzung nach einem Unfall 40 Anzeigen geschrieben.“
Dürfte die Polizei eine Kamera aufstellen und das Geschehen filmen, gäbe es sicherlich noch viel mehr Anzeigen – allerdings ist das datenschutzrechtlich nicht erlaubt. „Aber wir tun alles, was wir personell leisten können“, sagt Ladnar. Das gelte auch für den Sichtschutz: Die Autobahnpolizei versuche, die Einsatzfahrzeuge so an der Unfallstelle zu platzieren, dass die Opfer vor den Blicken der Gaffer geschützt sind.
Die Feuerwehr Geiselwind behilft sich diesbezüglich mit Planen aus dem Baumarkt. „Wir halten die Planen vor den Unfallort, so lange dort Leute gerettet oder geborgen werden“, berichtet der Geiselwinder Bürgermeister Ernst Nickel, der seit 34 Jahren aktiven FFW-Dienst auf der Autobahn versieht und schon etliche Fahrer – „speziell auch viele Lkw-Fahrer“ – beim Filmen von Unfallstellen beobachtet hat. Allerdings, sagt Nickel, gebe es werktags durchaus Probleme: „Uns fehlt dann das Personal, um die Dinger überhaupt aufzustellen. Menschenrettung geht vor. Wenn jemand im Auto eingeklemmt ist und schreit, können wir nicht erst Planen aufspannen.“ Schnell aufzustellende, selbsttragende Sichtschutzwände würde er sehr begrüßen.
Auch Sven Appold vom BRK Kitzingen findet mobilen Sichtschutz nötig. „Wir stellen mit Schrecken fest, dass gerade Lkw-Fahrer oft filmen“, sagt der Rettungsdienstleiter. Nicht selten gebe es deshalb Folgeunfälle auf der Gegenfahrbahn. „Wir begrüßen die Initiative von Herrn Diem und sind für jede Feuerwehr dankbar, die so ein Ding dabeihat.“
Über „so ein Ding“ verfügt seit kurzem die Feuerwehr Kitzingen. Laut Kommandant Markus Ungerer hat die Wand mehrere Vorteile: „Sie belehrt nicht, sie lenkt nicht durch einen langen Text ab, sie ist international verständlich.“ Die Aufschrift „No Photos!“ und das Piktogramm von Einsatzfahrzeugen seien innerhalb einer Sekunde zu erfassen: „Eine klare Ansage, die in jeder Sprache verständlich ist.“