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Flüchtlinge und Arbeitsmarkt: Eine Gemeinsame Aufgabe


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Montag, 07. Dezember 2015

Eines steht nach dem Termin in der Agentur für Arbeit fest: Alle verfolgen das gleiche Ziel. 2016 sollen tausende Flüchtlinge auf den deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen. Sie sollen möglichst schnell, möglichst unkompliziert und möglichst passgenau integriert werden.
Beratung: Die Agentur für Arbeit will arbeitssuchende Asylbewerber und Arbeitgeber, die auf der Suche nach Mitarbeitern sind, möglichst passgenau zusammenbringen.


Die Innungsobermeister im Landkreis Kitzingen haben sich mit den Spitzenkräften der Agentur für Arbeit getroffen. „Es ist sicher hilfreich, wenn wir uns austauschen“, meinte Kreishandwerksmeister Michael Bissert im Vorfeld. Er sollte Recht behalten.

„Weniger als zehn Prozent der Flüchtlinge können derzeit schnell am Arbeitsmarkt integriert werden.“ Mit dieser Zahl überrascht Ralf Streller, Teamleiter Arbeitgeber Service bei der Agentur, die Teilnehmer des Runden Tisches. Die Gründe: 81 Prozent kämen ohne eine formale Qualifikation, elf Prozent mit einer beruflichen Ausbildung und acht Prozent mit einer akademischen Ausbildung. Dennoch gebe es Möglichkeiten und Chancen. Die Frage sei nur, wie der geeignete Bewerber und der suchende Betrieb zueinander finden.

„Es muss vor allem schnell gehen“, forderte Frank Ackermann, Innungsobermeister der Schreiner. Je länger Asylbewerber auf eine Beschäftigungsmöglichkeit warten, desto größer sei die Gefahr, dass sie in eine Lethargie verfallen. Ackermann beschäftigt in seiner Wiesenbronner Schreinerei derzeit zwei Männer aus Syrien und macht damit gute Erfahrungen. „Allerdings habe ich vorher auch ein paar Bewerber ausgesiebt.“

Die Motivation ist nicht nur für Elisabeth Hofmann, Innungsobermeisterin der Metzger, das entscheidende Kriterium: „Wir arbeiten alle Flüchtlinge ein, die den Job wirklich wollen“, versicherte sie. Einen großen Bedarf an neuen Mitarbeitern signalisierten alle anwesenden Innungsobermeister. „Wir müssen jetzt nur noch die passenden Deckel für jeden Topf finden“, meinte Agenturchef Eugen Hain.

Welches Ziel verfolgt der einzelne Asylbewerber? Welche Fähigkeiten bringt er mit? Und: Welche Mitarbeiter braucht der Arbeitgeber? Decken sich Anforderungen und Fähigkeiten? „Wir brauchen unbedingt einen Kompetenzcheck“, forderte Hain. An den Schreibtischen der Jobcenter könne so eine Prüfung auf Herz und Nieren aber nur begrenzt erfolgen. Die Handwerkskammern seien dafür auch die falschen Adressen, waren sich die Innungsmeister einig. „Das ist Sache der Arbeitgeber“, meinte Thorsten Wahner, Innungsobermeister der Maler. Gerade in Praktika lasse sich gut überprüfen, ob Betrieb und Flüchtling zusammenpassen. Eine gewisse Vorauswahl sei aber nötig.

Die soll über die Agenturen erfolgen. Vier speziell geschulte Kräfte sind bereits im Agenturbezirk Würzburg eingestellt worden. Eine Mitarbeiterin sitzt in Kitzingen. Ihre Aufgabe wird es sein, die richtigen Asylbewerber mit den richtigen Betrieben in Verbindung zu bringen. „Praktika sind in der Regel ohne Probleme möglich“, informierte Streller.

Flüchtlinge mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung könnten bereits ab dem vierten Monat ihres Aufenthaltes in Deutschland im Betrieb getestet werden. „Menschen aus Syrien, Iran, Irak und Eritrea eventuell auch schon früher.“

Die bürokratischen Hürden will die Agentur auf Wunsch der Arbeitgeber so niedrig halten wie möglich. Ein Formular mit einer Handvoll Angaben soll ausreichen, sicherte Eugen Hain zu. Er appellierte dringend an alle interessierten Arbeitgeber, sich im Vorfeld eines Beschäftigungsverhältnisses mit der Agentur in Verbindung zu setzen. „Im Moment ist sehr viel Bewegung in dem Thema“, erinnerte er. „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern sich alle paar Wochen.“

Verändern werden sich auch die Zuständigkeiten und damit die Herausforderungen. Derzeit hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) noch zig tausende Anträge abzuarbeiten. Dieser riesige Rückstau werde sich im Laufe des nächsten Jahres auflösen, Flüchtlinge müssen dann vermehrt auf den Arbeitsmarkt integriert werden. „Und wir wollen keinesfalls in die Defensive gedrängt werden“, versicherte Richard Paul, Geschäftsführer Operativ bei der Agentur für Arbeit. Seine Behörde wolle dieses Thema vielmehr aktiv angehen und den Prozess so geordnet wie möglich steuern. Mehr Personal ist deshalb bereits eingestellt worden. „Wir sind handlungsfähig“, versicherte Paul.

Zunächst einmal werden mehr als 90 Prozent aller Flüchtlinge in Hartz IV landen, prognostizierte der Leiter des Jobcenters in Kitzingen, Toni Orth. Keiner wollte ihm deshalb bei seiner Aussage wiedersprechen: „Das ist eine riesige Herausforderung für die gesamte Gesellschaft.“ Dank Integrations- und Weiterbildungskursen sollen möglichst viele Menschen in den Ausbildungs- beziehungsweise Arbeitsmarkt integriert werden. „Die deutsche Sprache ist dafür eine Schlüsselkompetenz“, sagte er. Die halbjährlichen Integrationskurse sind für ihn deshalb zwingend notwendig. Danach stünden die anerkannten Flüchtlinge dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung.

„Alles steht und fällt mit der Sprache“, meinte auch Michael Bissert. Wobei es auch Arbeitsplätze gebe, bei denen die Sprachkompetenz nach und nach erworben werden könne. Gerade im Handwerk, wo der Durchschnittsbetrieb fünf Mitarbeiter zählt, falle eine Integration leichter als in der Großindustrie, bestätigte Frank Ackermann.

Das Handwerk stehe jedenfalls bereit und wolle seinen Teil beitragen, so Bissert. Die Ergebnisse vom Runden Tisch sollen zeitnah an die Innungsbetriebe weitergegeben werden.

Service für Arbeitgeber: Die Ansprechpartner im Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit: Hotline: 0800/4555520; Email: kitzingen.arbeitgeber@arbeitsagentur.de