Freihandelsabkommen: Fluch oder Segen?
Autor: Robert Wagner
Kitzingen, Freitag, 15. Juli 2016
In Europa wird über Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP gestritten. Im Landkreis Kitzingen auch. Nun formt sich Widerstand. Ein Volksbegehren soll CETA verhindern.
In was für einer Welt werden unsere Kinder einmal leben? Diese Frage treibt sowohl Klaus Petter als auch Kurt Treumann um. Für beide steht die Zukunft der nächsten Generationen auf dem Spiel. Einig sind sich die zwei Männer trotzdem nicht. Im Gegenteil: Beim Thema CETA vertreten sie ziemlich konträre Ansichten. Und beide haben Argumente.
Laut Klaus Petter vom Bund Naturschutz in Bayern (BN) drohen durch CETA, TTIP und andere Freihandelsabkommen tiefe Einschnitte in der Gesellschaft – weit über die Wirtschaft hinaus. Ökologische und soziale Errungenschaften stünden auf dem Spiel. Die hohen Sicherheitsstandards in der Produktion könnten auf ein Mindestmaß zurückgefahren werden, die Staaten politische Gestaltungskraft einbüßen. „CETA ist ein Abkommen für Konzerne – nicht für die Menschen“, sagt Klaus Petter. Der Vorsitzende der Ortsgruppe Mainstockheim hält das ganze Freihandelsabkommen mit Kanada für undemokratisch. „Da wird im finsteren Kämmerlein unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt.“ Dabei müsse ein so einschneidendes Abkommen doch breit diskutiert werden.
Kurt Treumann verweist hingegen auf die enorme wirtschaftliche Bedeutung solcher Freihandelsabkommen. Der Bereichsleiter Internationales der Industrie- und Handelskammer in Würzburg (IHK) sieht Deutschland und die EU einem enormen internationalen Druck ausgesetzt. Für die Aufrechterhaltung unseres Wohlstands gibt es keine Garantie. Es gibt einfach Länder mit einer hohen wirtschaftlichen Dynamik.“ Ein Ausruhen auf dem Status Quo sei deshalb unmöglich, strategische Partnerschaften absolut notwendig. Sonst würden die Bundesrepublik und die anderen europäischen Staaten schon mittelfristig langsam nach „hinten durchgereicht“. Bei sinkendem Wohlstand könne eine Sozial-, Umwelt- und Bildungspolitik in ihrer jetzigen Ausprägung aber nicht mehr aufrecht erhalten werden.
„Denn woher kommt das Geld dafür, wenn nicht von prosperierenden Unternehmen?“ Gleichwohl dürften Abkommen wie TTIP und CETA nicht um jeden Preis durchgeboxt werden, sondern müssten ausgewogen sein.
Zunächst erscheinen beide Standpunkte ziemlich abstrakt. Was hat CETA mit den Menschen in Kitzingen, Iphofen und Wiesentheid zu tun? An diesem Punkt sind sich Petter und Treumann einig: sehr viel. Gewissermaßen steht CETA stellvertretend für den großen Bruder TTIP, dem Freinhandelsabkommen mit der USA. Und beide könnten wiederum eine Blaupause sein für ein Abkommen mit China, meint Treumann. Ein genauerer Blick lohnt sich also.
Pro: Wachstum stärken
Der Export ist für Deutschland immens wichtig – auch im mainfränkischen Gebiet profitieren die Unternehmen vom globalen Markt. „Die Exportquote ist bei uns auf über 40 Prozent gestiegen“, erzählt Treumann. „Jeder bei uns ist im Prinzip an irgendeiner Stelle vom Export abhängig. Selbst der Bibliothekar in der Universität.“ Gerade für die mittelständischen Unternehmen sei der Abbau von Handelshemmnissen und die Harmonisierung von Standards von entscheidender Bedeutung. Das erscheint einleuchtend: In großen Konzernen kümmern sich ganze Abteilungen um die Einhaltung internationaler Regelungen. In kleineren Unternehmen fehlt dafür einfach das Personal und die Zeit. Komplexe Regeln und Gesetze werden für sie oftmals zur unüberwindbaren Hürde. Doch gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen prägen unsere Region.