Druckartikel: „Es geht uns doch überwiegend gut“

„Es geht uns doch überwiegend gut“


Autor: KTlrd

Kitzingen, Mittwoch, 09. November 2016

Man kann ihn getrost als politisches Urgestein im Kreis Kitzingen bezeichnen. Robert Finster ist seit 1969 SPD-Mitglied. Der gelernte Landmaschinen-Mechaniker, der 1970 in den Polizeidienst eintrat, hat jetzt seine Ämter im Kreisvorstand der SPD abgegeben. Er will dem Nachwuchs rechtzeitig eine Chance geben. „Aber ganz zurückziehen will ich mich noch nicht“, sagt der stellvertretende Landrat. „Dafür macht mir die Politik viel zu viel Spaß.“
Seit 1969 überzeugtes SPD-Mitglied: Robert Finster.


Man kann ihn getrost als politisches Urgestein im Kreis Kitzingen bezeichnen. Robert Finster ist seit 1969 SPD-Mitglied. Der gelernte Landmaschinen-Mechaniker, der 1970 in den Polizeidienst eintrat, hat jetzt seine Ämter im Kreisvorstand der SPD abgegeben. Er will dem Nachwuchs rechtzeitig eine Chance geben. „Aber ganz zurückziehen will ich mich noch nicht“, sagt der stellvertretende Landrat. „Dafür macht mir die Politik viel zu viel Spaß.“

Frage: Warum haben Sie sich Ende der 60er Jahres für die SPD entschieden und nicht für die CSU?

Robert Finster: Willy Brandt war mein Idol, ein Visionär. Er hat mich angesprochen, nicht nur wegen seiner Ost-Politik. Er war auch jemand, der den Umweltgedanken damals schon im Blick hatte. Stichwort: Blauer Himmel an Rhein und Ruhr.

Das ist lange her. Sprechen Sie die aktuellen Entscheidungsträger in der SPD auch so an?

Finster: Im Prinzip ja, aber wir befinden uns insgesamt in einer Umbruchphase. Alles ist miteinander verwoben, die klaren politischen Konturen von damals sind verschwommen.

Warum?

Finster: Die CDU ist mit Angela Merkel in die politische Mitte und sogar darüber hinaus nach links gerutscht, die SPD hat sich ebenfalls in die Mitte zubewegt, weil dort angeblich die Wahlen gewonnen werden. Mit der Folge, dass die SPD ihren Status als Arbeiterpartei verloren hat. Das hängt eng mit der Agenda 2010 von Gerhard Schröder zusammen. Den Parteitag in Berlin werde ich nie vergessen.

Warum?

Finster: Weil es so ein großes Ringen innerhalb der Partei war. Ich war beispielsweise für die Agenda, die bayerische SPD hatte sich dagegen ausgesprochen. Letztendlich muss man Gerhard Schröder großen Respekt zollen.

Weil er Politik gegen die Grundsätze seiner Partei gemacht hat?

Finster: Ja. Er hat für die Zukunft des Staates gehandelt und weniger für die grundsätzliche Ausrichtung seiner Partei.

Mit der Agenda 2010 hatten Sie demnach kein Problem?

Finster: Mit einigen Stellschrauben schon, aber das größte Problem mit meiner Partei hatte ich in Sachen Leiharbeit. Arbeiter, die oftmals ausgenutzt werden und keine Sicherheit haben. Bei so etwas müsste die SPD geschlossen widersprechen.

Egal wofür oder wogegen die SPD in Bayern ist. Sie kommt im Freistaat einfach nicht auf die Füße. Warum sitzt die CSU hierzulande so fest im Sattel?

Finster: (stöhnt) Wenn ich das wüsste.

Keine Erklärung? Nach fast 50 Jahren in der SPD?

Finster: Nur Erklärungsversuche. Politik ist immer von Emotionen geprägt und die Verknüpfung ihrer Partei mit den Begriffen Heimat und Tradition, das hat die CSU über die Jahrzehnte gut hinbekommen. Und ganz ehrlich: Die CSU-Kollegen im Kreisrat sind alles ordentliche Leute.

Noch Mal nachgefragt: Warum sind Sie dann kein CSU-Mann geworden?

Finster: Weil ich mich als Demokrat besser bei der SPD aufgehoben fühle. Nehmen Sie nur den Horst Seehofer mit seinem Machtanspruch, den ständigen Drehungen und Wendungen. Er will alles bestimmen innerhalb seiner Partei, sogar seinen Nachfolger. So etwas würde sich ein SPD-Mitglied niemals gefallen lassen.

Das Parteienspektrum hat sich mittlerweile auch im Freistaat erweitert. Wie erklären Sie sich den Erfolg der AfD?

Finster: Sie vermittelt vielen Menschen den Eindruck, dass sie sich um ihre Anliegen kümmern. Eine Antwort liefert die AfD freilich nicht.

Welche Anliegen meinen Sie?

Finster: Viele Menschen klagen über die Schließung von Bädern, den Zustand der Straßen oder der Schulen. Sie glauben, dass diese Dinge nicht angegangen werden, weil das Geld lieber für die Flüchtlingsarbeit ausgegeben wird. Ich wundere mich über diese Stimmung im Volk. Es geht uns doch überwiegend gut.

Also den Menschen klar machen, dass es ihnen gut geht.

Finster: Natürlich gibt es auch Menschen, die sich abgehängt fühlen. Die glauben, dass der Staat sie im Regen stehen lässt. Das hat uns nicht zuletzt der Armutsbericht der Bundesregierung vor Augen geführt. Wir müssen uns um diejenigen kümmern, die sich auf der Verliererstraße wähnen. Wir müssen diesen Menschen eine Perspektive geben. Darum kümmern, dass das öffentliche Leben funktioniert.

Sonst?

Finster: Sonst bekommen AfD und Pegida weiter Aufschwung.

Im Kreisrat gibt es noch kein AfD-Mitglied. Sie sind seit mehr als 30 Jahren dabei. Wie hat sich die Arbeit in diesem Gremium gewandelt?

Finster: (lächelt) Wissen Sie, früher haben wir schon im Vorfeld gewusst, dass unsere Anträge keine Chance auf eine Mehrheit haben. Wir haben trotzdem dafür gekämpft.

Und jetzt?

Finster: Seit es keinen CSU-Landrat mehr gibt, hat sich das Miteinander von Grund auf gewandelt. Frau Bischof ist offen gegenüber allen Parteien. Die Kommunikation und die Entscheidungen sind viel transparenter geworden.

Wie lange werden Sie noch politisch aktiv sein?

Finster: Ich bin jetzt 66. Eine genaue Zeitangabe will ich nicht machen. Es macht mir auf jeden Fall noch eine Menge Spaß.