Von den Banken verlassen
Autor: Robert Wagner
Tiefenstockheim, Mittwoch, 02. November 2016
Die Raiffeisenbank Kitzinger Land schließt zum November vier Filialen. Damit liegt sie voll im Trend. Immer mehr Geldhäuser ziehen sich aus kleineren Ortschaften zurück. Einen besonderen Abschied gab es nun in Tiefenstockheim. Mit Kommentar: "Banker schaffen sich ab"
Es ist kurz nach 17.30 Uhr. In der Raiffeisenbank in Tiefenstockheim steht der Feierabend bevor. Marianne Zeißner schließt die Türen – für immer. Die Filiale im Seinsheimer Ortsteil ist eine von vier, in denen Ende Oktober die Lichter ausgingen. Auch in Seinsheim selbst, in Herrnsheim und in Hüttenheim schloss die Raiffeisenbank Kitzinger Land ihre Außenstellen zum November.
In Tiefenstockheim sollte der Abschied nicht sang- und klanglos ablaufen: Am vergangenen Freitag erschallte der tiefe Klang einer Tuba vor der Filiale am Ortseingang. Drei Trompeten setzten ein, eine Posaune und zwei Klarinetten gesellten sich dazu. Vor dem Eingang der Bank hatte sich die Blaskapelle Tiefenstockheim versammelt. Sie spielten „Muss i' denn zum Städtele hinaus?“. Ein altes deutsches Volkslied – ein Abschiedsmarsch. Abschied von ihrer Bank, von ihrer Marianne Zeißner.
Filialschließung liegt im Trend
Die öffnet nach einigen Augenblicken die Tür, hält sich die Hände vors Gesicht. „Ihr seid doch verrückt“, entfährt es ihr. Zwischen der kräftigen Musik verlieren sich ihre Worte. „Das ist wirklich klasse, Wahnsinn“, sagt die Bankangestellte später, als die Musik endet und man mit einem Sekt gemeinsam anstößt. „Die Leut' waren so nett zu mir heut'. Ich musst' schon ein paar mal weinen.“
Insgesamt 42 Jahre arbeitet Zeißner schon bei der Bank. Einen Großteil davon in Tiefenstockheim. Vor ihr hat schon ihr Vater hier gearbeitet. „80 Jahre haben wir insgesamt die Filiale hier geführt.“ Eine lange Geschichte, die an diesem Tag endet.
Sehr schade sei das, ist man sich bei den Musikern einig. „Wir hatten erst eine eigenständige Bank hier. Irgendwann war es nur noch eine Geschäftsstelle und nun haben wir gar nichts mehr“, fasst einer von ihnen zusammen.
Die rund 250 Einwohner von Tiefenstockheim sind nicht allein. Das große Filialsterben ist kein neues Phänomen. Große Geldhäuser wie die Deutsche Bank trennen sich schon seit Jahren zunehmend von ihren Außenstellen. Doch der Trend betrifft auch die Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Die Sparkasse Mainfranken will bis 2018 insgesamt 21 Filialen schließen, darunter neben der Außenstelle in Etwashausen vier weitere im Landkreis Kitzingen. Im Umkreis von Gerolzhofen schließt die VR-Bank ebenfalls vier Filialen zum Jahresende.
„Wir versuchen weiter jederzeit erreichbar zu bleiben“, betont Albrecht Hack, Vorstand der Raiffeisenbank Kitzinger Land. Ein schwieriger Balanceakt. So habe man auf die Wünsche der Bevölkerung reagiert und zumindest den Geldautomaten in Hüttenheim erhalten, der eigentlich ebenfalls den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen sollte.