Eine Kirche, verschiedene Wege
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Dienstag, 03. November 2015
Drei Wochen lang haben mehr als 270 Bischöfe in Rom über aktuelle Fragen beraten. Das Ergebnis? Ansichtssache.
Der Mann will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Schon das sagt viel über das (Selbst-)Verständnis von Homosexuellen in der deutschen Gesellschaft im Jahr 2015 aus. Aufgewachsen ist er in einem streng katholischen Elternhaus, er hat ein katholisch geprägtes Internat besucht.
Sein Berufswunsch lautete schon in frühen Jahren: Priester. Mit seinem Gewissen ließ sich das aber nicht verbinden. „Ich wollte nie ein doppelbödiges Leben führen“, sagt er. Andere tun das. Davon ist er überzeugt. Zehn bis 15 Prozent der geweihten Priester sind nach seiner Überzeugung homosexuell. Mindestens. In der katholischen Weltkirche fänden die Homosexuellen keine Heimat. Auch nicht nach der Bischofssynode von Rom.
Im Abschlussdokument werden nur ganz wenige Worte über sie verloren. Sie dürften nicht diskriminiert werden, man müsse ihnen mit Respekt begegnen, heißt es da. „In der Praxis jedoch bleibt homosexuelles Handeln zwischen sich liebenden Partnern weiterhin schwere Sünde“, bedauert der Mann. Lediglich in Millimeterschritten bewege sich die Kirche fort. Dabei sei die deutsche Kirche vergleichsweise „sehr aufgeschlossen.“
Tatsächlich haben die drei Teilnehmer der Bischofskonferenz, Kardinal Marx, Erzbischof Dr. Koch und Bischof Dr. Bode, eine Erklärung abgegeben, die weiter geht als die offizielle Abschlusserklärung. „Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben“, heißt es da.
Insbesondere nennen die drei deutschen Bischöfe ledige Mütter und außerehelich geborene Kinder, Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, Geschiedene und Wiedeverheiratete sowie homosexuell orientierte Menschen. „Als Bischöfe bitten wir diese Menschen um Verzeihung.“
Ganz neue Töne sind das. Töne, die der Theologe und Leiter des Recollectio-Hauses in Münsterschwarzach, Dr. Wunibald Müller, grundsätzlich wunderbar findet. Viele homosexuelle Menschen würden das Mitleid und Erbarmen allerdings nicht brauchen. „Vielmehr brauchen sie Anerkennung und möchten uns auf Augenhöhe begegnen“, sagt er. „Sie wollen, dass man ihr Leben nicht als sündhaften Zustand bezeichnet. Sie möchten hören, dass wir ihre homosexuelle Liebe anerkennen und zugeben, dass es eine echte Liebe ist.“
Die Kirche müsse zu diesem Thema eine Position finden, meint Kitzingens Pfarrer Gerhard Spöckl. Genauso wie sie Antworten auf die Frage finden muss, ob Wieder Verheiratete zur Kommunion zugelassen werden sollen. Seine Position ist eindeutig: Die Aufgabe der Kirche sei es, den Mensch dabei behilflich zu sein, ihr Glück zu finden. „Und das muss für jeden gelten.“