"Ein Weiter-So kann es nicht geben"
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Dienstag, 13. Sept. 2016
Sie gehören zusammen. Seit der ersten Bundestagswahl von 1949. Doch was sich in diesen Wochen zwischen der bayerischen CSU und der bundesdeutschen CDU abspielt, das hat mit Einigkeit und Schwesterliebe rein gar nichts zu tun. Der Ton wird schärfer. Und immer geht es um ein Thema: die Flüchtlingsfrage.
„Wir haben da von Anfang an die klarere Haltung vertreten“, sagt Dr. Otto Hünnerkopf, CSU-Landtagsabgeordneter. Der Untersambacher geht davon aus, dass die CSU mit ihrer Forderung nach einer Obergrenze den Willen von mindestens 70 Prozent der Bevölkerung vertritt. Kanzlerin Angela Merkel wirft er dagegen „eine unbeugsame Haltung“ vor.
Als Landtagsabgeordneter trifft Dr. Hünnerkopf immer wieder auf Kollegen von der CDU. Die Gespräche seien oft von einem flehentlichen Ton begleitet. „Da ist schon eine Portion Verzweiflung mit im Spiel“, gibt er zu.
Noch näher dran an den Christdemokraten ist Dr. Anja Weisgerber. Als Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit stimmt sich die Schweinfurterin fast täglich mit ihren Kollegen von der CDU ab. Belastet die Flüchtlingsthematik die alltägliche Zusammenarbeit? Können die Parlamentarier überhaupt noch vernünftig miteinander reden? Oder ist das Verhältnis vergiftet? 1#googleAds#100x100
Anja Weisgerber differenziert zwischen den sachlichen Gesprächen auf Fachebene und denen in den Fraktionssitzungen. In Letzteren würden gerade die CDU-Frauen auch oft sehr emotional diskutieren. Und zwar pro Kanzlerin. „Unsere Aufgabe als CSU-Abgeordnete besteht aber darin, die Meinung aus unseren Wahlkreisen zu vertreten.“ Und die habe in der Flüchtlingsfrage kaum mehr etwas mit der Politik von Angela Merkel zu tun.
Was er in den Gesprächen mit den Bürgern zu hören bekommt, will Dr. Hünnerkopf gar nicht gefallen. „Wir können Euch nicht mehr wählen“, sagen selbst die treuesten CSU-Wähler zu ihm. „Weil wir damit Angela Merkel unterstützen würden.“ Denen, die so denken, entgegnet Dr. Hünnerkopf: „Das Gegenteil ist der Fall. Wir können die Meinung der Bevölkerung nur dann weiter vertreten, wenn wir in der Koalition ein deutliches Votum erhalten.“
Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin bezeichnet Dr. Hünnerkopf als emotionslos und wenig orientiert an den Bedürfnissen der Menschen. Sein Vorwurf: Ständig gehe es der Kanzlerin darum, ihre Position, die mit dem Satz „Wir schaffen das“ plakativ zusammengefasst wird, zu rechtfertigen. Die Mehrheit der Bevölkerung denke da ganz anders. Auch wenn die Weichenstellungen der letzten Monate – Integrationsgesetz, Schließung der Balkanroute – durchaus Erfolg gezeigt hätten.
Im August kamen laut Sozialministerium knapp 3000 Asylbewerber nach Bayern. Dennoch halten Dr. Hünnerkopf und die CSU an ihrer Forderung nach einer Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr fest. „Die Vereinbarungen mit der Türkei sind fragil“, gibt der Abgeordnete zu bedenken und warnt: Es könne jederzeit eine neue Welle von Flüchtlingen kommen.