Ein letztes Mal zugreifen
Autor: Robert Wagner
Kitzingen, Freitag, 20. Mai 2016
Spielwaren Sinkel schließt. Smartphones, Internet, Stadt – wer hat Schuld?
Ende Mai ist Schluss. Eine 80-jährige Geschichte geht zu Ende. Was sie am meisten vermissen wird? "Die strahlenden Kinderaugen", sagt Inge Knack, Geschäftsführerin von "Spielwaren Sinkel". Verkäuferin Juliane Keller pflichtet ihr bei: "Die Kinder haben das Geschäft zum Leben erweckt." Keller muss es wissen: Seit fast vier Jahrzehnten arbeitet sie für die Familie Knack - ihr ganzes Berufsleben. Vor 37 Jahren hat sie Alexandra Knack, die jüngere Schwester von Inge, manchmal vom Kindergarten abgeholt. Später war Alexandra ihre Chefin, bis sie 2011 enttäuscht und aufgrund einer neuen beruflichen Herausforderung die Leitung abgab und ihre Schwester Inge das Ruder übernahm.
Doch auch sie konnte das Geschäft nicht mehr retten. „Damals begannen die richtig schweren Jahre“, erzählt Inge Knack. Nach dem Ausstieg ihrer Schwester hatte sie ihren Job in Köln gekündigt und war eingesprungen. Keine Kurzschlussentscheidung: „Schon als Kind war mir klar, dass ich im Geschäft bleiben will.“ Um es zu retten, versuchte sie moderne Unternehmenstipps umzusetzen. „Wir haben alles probiert die letzten sechs Jahre.“
Genützt hat es wenig: Der Umsatz ging weiter zurück. Und von den kleineren Geschenkartikeln, die die paar vorbei schlendernden Besucher kaufen, könne man kein 150 Quadratmeter großes Geschäft erhalten. Jetzt hängen trostlose „Alles muss raus“-Plakate in den Schaufenstern und künden vom baldigen Abschied. Mit „Sinkel“ verschwindet das letzte Spielzeuggeschäft aus der Kitzinger Innenstadt.
Die Entscheidung dazu wuchs langsam. Letztlich war klar: Man kann nicht dauerhaft ein Zuschussgeschäft führen. „Am schwersten trifft das Ende meine Eltern“, erzählt Inge Knack. Seit 1964 führten Anneliese (75) und Werner Knack (79) das Geschäft gemeinsam, bauten es vom einstigen Laden für Haushaltswaren immer mehr zum Spielzeugladen um. Besonders die Modelleisenbahnen waren ein Verkaufsschlager. In der Hochzeit des Familienbetriebs gab es 16 Angestellte im Hauptgeschäft in der Schrannenstraße und in der Filiale in der Marktstraße – zum Schluss waren es noch zwei.
Die Ursachen für den Niedergang sind vielschichtig. Einen der Hauptgründe sehen die Schwestern in der zunehmenden Digitalisierung. Statt Puppen, Eisenbahn und Brettspiele gäbe es heute nur noch Smartphones und Tablets. „Kreatives und förderndes Spielzeug wird nur noch selten gekauft“, sagt Inge Knack.
Bei Spielwaren Sinkel rückten demnach die ganz jungen Kunden in den Fokus. Viele Spielsachen sind für Kinder unter fünf Jahren gedacht. Doch auch hier gibt es Probleme. „Die Laufkundschaft fehlt“, sagt die Geschäftsführerin. Schuld daran sei auch die Stadt selbst: Weil es so wenige Parkplätze gäbe, würden Eltern und Großeltern die Innenstadt meiden und lieber in die Außenbezirke fahren. „Wer fährt schon in die Stadt um 15 Minuten einen Parkplatz zu suchen und dann in den engen Parkbuchten sein Kind aus dem Babysitz zu schälen?“ Außerdem fehle es zum gemütlichen Shoppen an Angeboten. Da fahre man lieber gleich nach Würzburg. „Eine Bummelstadt ist Kitzingen schon lange nicht mehr.“
Eine Einschätzung die Claudia Biebl vom Stadtmarketing nicht teilt. Immerhin 18 neue Geschäfte hätten im vergangenen Jahr eröffnet. „Ganz so schlimm kann es also nicht sein.“ Im Vergleich zu anderen Städten stehe man in Kitzingen noch gut da. „Der Einzelhandel ist bei uns noch stark“, betont Biebl. Natürlich müssen man aber überlegen, wie man ihn weiter stärken könne. „Es ist wichtig, dass sich die Händler an die neuen Bedingungen anpassen.“ Dazu gehöre auch, eine Antwort auf die wachsende Bedeutung des Onlinehandels zu finden.
Auch Spielwaren Sinkel hat einen Onlineshop. Doch mit den großen Anbietern wie Amazon und Co. zu konkurrieren ist schwierig bis unmöglich: „Die bieten Spielzeug manchmal unter dem Einkaufspreis an“, staunt Inge Knack. So könne man als kleineres Geschäft nicht überleben und das Sterben des Einzelhandels gehe weiter.