Ein Job mit Knalleffekt
Autor: Daniela Röllinger
Marktbreit, Freitag, 09. Oktober 2015
Bloß nicht „Böller“ und „Raketen“ schreiben. Wer diese Worte wählt, hat keine Ahnung von Feuerwerk. Zum Glück hat Doris Giffing gesagt, dass ihr Mann Dieter sich jedes Jahr unzählige Male über diese Bezeichnungen ärgert. Und er kennt sich schließlich aus: Der 44-Jährige ist Pyrotechniker.
„Ein Böller ist ein Knallkörper jeder Art und Raketen sind am Aussterben“, sagt Dieter Giffing. Mit dem was er tut, haben die schon lange nichts mehr zu tun. Der große blaue Ball vor ihm auf dem Tisch ist da eher sein Ding: Eine Kugelbombe. Oder das zylinderförmige Paket daneben, eine Simultanmehrschlagbombe italienischer Bauart. Und „Cakeboxen“ verschiedenster Größe. Alles Dummys – schließlich darf man nicht einfach Unmengen explosiver Stoffe verschiedener Gefahrenklassen zusammen lagern.
Es gibt schier unzählige Formen von Feuerwerkskörpern, mit denen Pyrotechniker arbeiten. Mit Leuchteffekten in den schillerndsten Farben, die mal lange, mal kürzer am Himmel stehen, die sich wie Chrysanthemen entfalten, als Sternbuketts verteilen, als riesige Säulen in den Himmel steigen oder als glitzernder Lichterschauer vom dunklen Himmel regnen. Vielfältige und beeindruckende Effekte, die der Betrachter mit offenem Mund bewundert und mit vielen „Aahhs“ und „Oohhs“ quittiert. Effekte, gegen die eine vom Normalbürger abgefeuerte – pardon – Rakete vor Neid erblasst.
Eigentlich ist Dieter Giffing kaufmännischer Angestellter. Von der Pyrotechnik zu leben ist schwierig – obwohl sie sein Traumjob ist. Schon als kleiner Junge hat ihn das Lichterspektakel an Silvester fasziniert. „Aber da hatte ich noch fürchterliche Angst vor den Knallkörpern“.
Später kam das, was er als „Böllerphase“ bezeichnet: Wie fast jeder junge Kerl machte er begeistert beim Zünden des Feuerwerks mit. Und diese Faszination ist mit den Jahren immer mehr gewachsen. Er hat sich fortgebildet, den Pyrotechnikerschein gemacht, um Feuerwerkskörper mit größerer Satzmenge, also Nettoexplosivmasse wie zum Beispiel Schwarzpulver, abbrennen zu dürfen.
Schon für den kleinen Schein braucht man unter anderem eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. „Das ganze Leben wird durchleuchtet.“ Wer waffen- oder sprengstoffrechtlich mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, ist erst mal raus. Für den großen Schein muss man außerdem 26 Mal bei Großfeuerwerken geholfen haben. Gar nicht so einfach. Um auf diese Zahl zu kommen, ist Dieter Giffing durch ganz Deutschland gefahren. 2008 hat er die Firma „Mainfire“ gegründet, seit 2014 hat er sein eigenes Geschäft in Marktbreit.
Sein erstes großes Feuerwerk vor Publikum hat Dieter Giffing 2006 gezündet, für die Hochzeit eines Kollegen. Wenn sie sich den Film davon auf dem Laptop anschauen, kommen er und seine Frau aus dem Lachen nicht mehr heraus. Da hat er noch ohne Stativ gearbeitet, es gab keine elektronische Zündung. Dafür sieht man einen Mann mit Stahlhelm und Schutzmaske, der zwischen den auf Steinen und Gestellen montierten Effekten herumklettert und per Hand zündet. Applaus gab es trotzdem reichlich. „Und der hat mich süchtig gemacht“, sagt der Obernbreiter.
Wenn er jetzt Klein- und Großfeuerwerke für Hochzeiten, Geburtstage, Vereine und Firmen abfeuert, arbeitet Giffing ganz anders. Er hat eine Beschallungsanlage für 1200 Leute, kann im Festivalcharakter arbeiten, hat ein computergesteuertes Funkzündsystem. Mit seinem Helfer-Team arbeitet er mit Restaurants und Spitzenköchen zusammen, hat sich mit Partnern ein Netzwerk aufgebaut. 150 Feuerwerke hat er inzwischen abgebrannt, Farben, Effekte und Musik auf die Kundenwünsche abgestimmt, jeder Knall wird per Computersteuerung an der richtigen Stelle des Liedes platziert.
Stundenlange Arbeit ist dafür nötig, die Dauer der Effekte muss genauso berechnet werden wie eine eventuelle Verzögerungszeit nach dem Zünden.