Die Wut wird sich legen
Autor: KTlrd
Kitzingen, Freitag, 24. März 2017
Ab Montag dürfen sie wählen, die rund 1,4 Millionen Türken, die in Deutschland leben. In Kitzingen sind es etwa 1000, die bis zum 9. April in Fürth an die Wahlurne dürfen. Wo sie ihr Kreuzchen machen, ist natürlich geheim. Beim Gespräch in der Kitzinger Moschee wird man aber das Gefühl nicht los, dass die meisten für eine Verfassungsänderung stimmen werden – und damit für die Pläne von Präsident Recep Erdogan.
Ab Montag dürfen sie wählen, die rund 1,4 Millionen Türken, die in Deutschland leben. In Kitzingen sind es etwa 1000, die bis zum 9. April in Fürth an die Wahlurne dürfen. Wo sie ihr Kreuzchen machen, ist natürlich geheim. Beim Gespräch in der Kitzinger Moschee wird man aber das Gefühl nicht los, dass die meisten für eine Verfassungsänderung stimmen werden – und damit für die Pläne von Präsident Recep Erdogan.
Die letzten Wochen waren nicht einfach. Weder für die jeweiligen politischen Entscheidungsträger, noch für die Bürger. Die deutsch-türkischen Beziehungen sind jedenfalls angespannt. Und das merken auch die türkischen Mitbürger in Stadt und Landkreis Kitzingen.
Ihre Namen täten nichts zur Sache, der Inhalt ihre Worte sei entscheidend. Drei Männer und drei Frauen haben sich in der Moschee versammelt, um über die letzten Wochen zu reden. Über Demonstrationen, über Terroristen, über kulturelle Unterschiede – und die Nazi-Vergleiche von Präsident Erdogan.
Schnell wird klar: So schwere Zeiten hat es noch nie gegeben. Von einer Krise ist die Rede, von unhaltbaren Vorwürfen, von einer unausgewogenen Berichterstattung der deutschen Medien. Und die zeige Wirkung. Die deutschen Kollegen auf der Baustelle, die Kunden im Laden, die Nachbarn: alle hätten plötzlich ein schlechtes Bild von der Türkei. Im Kindergarten sei sogar mal eine Oma auf sie losgegangen und hätte über „den Erdogan“ geschimpft, berichtet eine junge Mutter. In den Schulen würden türkische Kinder von Mitschülern beleidigt. „Dabei sind die erst elf oder zwölf Jahre alt.“ Der Vorwurf: Die Deutschen würden sich einseitig informieren, der Hetzkampagne der Bild Zeitung auf den Leim gehen. Dabei wüssten die meisten viel zu wenig über die Türkei. Über die Menschen. Und deren Präsidenten.
„Die Türkei hat sich in den letzten Jahren verändert“, sagt Yüksel Sari, Vorsitzender des Vereins Neue Moschee in Kitzingen. Es gebe Arbeit, ein funktionierendes Sozialsystem. Den Türken gehe es deutlich besser als früher. Sari spricht von einem einmaligen Wirtschaftsaufschwung. Zurückzuführen sei das vor allem auf die Regierung Erdogan. Auch außenpolitisch sei die Türkei endlich auf einem guten Weg. „Früher waren wir doch nur eine Marionette Amerikas.“ Neun Regierungswechsel innerhalb von zehn Jahren habe es vor der Ära Erdogan gegeben. Jetzt gebe es endlich eine Stabilität. „Was soll daran schlecht sein?“
„Gar nichts“, entgegnet der einsame deutsche Reporter in der Moschee. Aber wie verhält es sich mit den vielen Verhaftungen der Regimegegner? Wie steht es um die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei? Und wie finden die türkischen Mitbürger eigentlich die Nazi-Vergleiche ihres Präsidenten?
Besonders gut nicht. Übertrieben sei das schon gewesen, so die übereinstimmende Meinung am Tisch. Vor allem, weil er diese Vergleiche immer wieder angebracht hat. Als Politiker sollte man diplomatischer vorgehen, seine Wut im Zaun behalten. Wobei: Die Wut des Präsidenten komme bei seinem Volk gut an.