Druckartikel: „Die jugendlichen Flüchtlinge gehören jetzt zu uns“

„Die jugendlichen Flüchtlinge gehören jetzt zu uns“


Autor: Robert Wagner

Kitzingen, Mittwoch, 28. Oktober 2015

Nilufer Samdan ist 20, ist im Boxverein, besucht die Fachoberschule im Zweig Wirtschaft - und ist Jungbürgermeisterin der Stadt Kitzingen. Was sie und ihre Jugendstadtratskollegen beschäftigt, erzählt sie im Interview.
Jung und engagiert: Die 20-jährige Schülerin Nilufer Samdan vertritt die Interessen der Jugendlichen in Kitzingen. Ihre Aufgabe nimmt sie ernst – und hat doch viel Spaß dabei.


Frage: Du bist seit diesem Frühjahr Jungbürgermeisterin. Was treibt dich an?

Nilufer Samdan: Ich werde schon öfters gefragt, warum ich das mache. „Bei dem ganzen Schulstress, da bekommt man das doch gar nicht hin“, heißt es dann beispielsweise. Aber ich finde, man investiert so viel Zeit für die Medien, fürs Internet, für Freunde. Da kann man ruhig etwas von der Zeit kürzen und sich für andere engagieren. Ich habe vielleicht oft nicht so viel Freizeit wie andere, aber ich mache das trotzdem sehr gerne.

Hast du richtig Wahlkampf betrieben oder wie wird man Jungbürgermeisterin?

Samdan: Ich habe mich selbst etwas gewundert, dass ich gewählt worden bin. Ich habe nicht einmal meinen Freunden und Klassenkameraden gesagt, dass ich mich aufstellen lasse. Das war mehr eine kurzfristige Entscheidung, dass ich das wirklich machen will. Ich dachte mir: Ich stelle mich einfach vor – und wer mich wählen will, wählt mich. Und dann wurde ich tatsächlich gewählt.

Wie läuft die Arbeit im Jugendstadtrat ab?

Samdan: Der Jugendstadtrat soll ja den jungen Leuten ermöglichen, sich an der kommunalen Arbeit zu beteiligen. Wir wollen die Interessen der Jugendlichen in Kitzingen vertreten. Dazu treffen wir uns möglichst jeden Monat einmal. Jeder bringt dann aktuelle Themen mit ein. Manchmal sind das dann auch Sachen, die von anderen Jugendlichen an uns ran getragen wurden. Und wir planen dann Projekte oder Aktionen zusammen.

Was beschäftigt euch zur Zeit am meisten?

Samdan: Wichtig ist zur Zeit vor allem das Thema Asyl. Das betrifft uns ja alle, die ganze Gesellschaft. Es sind ja auch einige Jugendliche dabei, die ohne Erziehungsberechtigte gekommen sind. Die gehören jetzt zu uns. Denen wollen wir das Ankommen hier erleichtern.

Habt ihr Pläne, was ihr tun könnt?

Samdan: Wir planen ein Dialogforum zur Asylpolitik und Zivilcourage. Da wollen wir in Gruppen diskutieren: Was wünscht ihr euch? Was könnte man besser machen? Jeder hat da ja eine andere Meinung. Wir wollen aber auch, dass einige Asylbewerber kommen, es soll ja ein Dialog entstehen. Es ist ja oft so, dass die untereinander Kontakt haben, aber zu den Deutschen ist das oft schwierig. Das finde ich persönlich sehr schade.

Hast du auch persönlich Erfahrungen mit Flüchtlingen? Wie ist das bei euch an der Schule?

Samdan: An der FOS sehe ich schon regelmäßig Flüchtlinge, die unterrichtet werden. Man begegnet sich, man grüßt sich, aber so richtig in Kontakt kommt man dennoch nicht.

Woran liegt das?

Samdan: Es besteht oft gar nicht die Chance zum Treffen. Man hat viel zu tun, ist unterwegs. Das ist im Alltag einfach schwierig. Oft ist natürlich auch die Sprache ein Problem.

Welche Themen beschäftigen euch noch im Jugendstadtrat?

Samdan: Wir haben beispielsweise einen Flohmarkt am Jugendcafé organisiert. Ansonsten beschäftigt uns gerade der Grillplatz am Main. Der wurde bereits vom letzten Jugendstadtrat realisiert. Allerdings wird dort öfters randaliert. Wir überlegen gerade, wie wir das verhindern könnten.

Bist du zufrieden mit der Situation von Jugendlichen in Kitzingen?

Samdan: Ich finde, Kitzingen macht schon viel für seine Jugendlichen. Beispielsweise gibt es nicht überall einen Jugendstadtrat. Aber es wird von vielen nicht so wahrgenommen und genutzt. In Kitzingen ziehen sich schon viele zurück und engagieren sich nicht.

Was sollte sich da ändern?

Samdan: Ich würde mir wünschen, dass wir Jugendlichen uns mehr für unsere Gesellschaft engagieren. Dass wir weniger im „Ich“, und mehr im „Wir“-Prinzip denken.

Was sagen deine Eltern eigentlich dazu, dass ihre Tochter Jungbürgermeisterin ist?

Samdan: Die sind schon stolz. Ich wurde aber auch so erzogen und denke deshalb gerne andere. Insofern bin ich auch stolz auf meine Eltern.

Hast du schon mal über eine Politikerkarriere nachgedacht?

Samdan(lacht): Nein, ich will das eigentlich nicht berufsmäßig machen. Da hab ich schon andere Pläne.


Fakten zum Jugendstadtrat

Wahl: Der Jugendstadtrat wird alle zwei Jahre von den Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren gewählt. Zur Wahl aufstellen lassen, darf sich jeder im Alter von 15 bis 25 Jahren.

Jugendstadtrat: Die 15 Mitglieder des Jugendstadtrats werden für zwei Jahre gewählt. Die Beschlüsse des Jugendstadtrats werden im Stadtrat wie Anträge behandelt.

Jungbürgermeister: Der Jungbürgermeister besitzt außerdem ein Sitz- und Stimmrecht im Jugendbeirat der Stadt Kitzingen.